In alter Freundschaft - Kriminalroman
Damen- und Herrenbekleidung, Elektronik und Haushaltsgeräte, nur eben nicht Neu-, sondern Gebrauchtwaren. Selbstverständlich blieben die Briefmarken und Münzen ein zentraler Bestandteil des Warensortiments. So konnten unsere Stammkunden mit hinübergezogen werden und gleichzeitig das eine oder andere Schnäppchen aus unseren anderen Abteilungen mit nach Hause nehmen. Dachten Willi und ich zumindest. Tatsächlich war ein Teil der älteren Männer, die früher meinen Laden bevölkert hatten, von der sachlichen Kaufhausatmosphäre wenig angetan. Der einbeinige Erwin und der halbtaube Otto kamen nur ein paarmal, dann blieben sie auf immer weg. Später sah ich sie am Ludgeribrunnen stehen und finstere Blicke in Richtung des alten Ladens werfen.
Natürlich mussten wir umziehen. Die Lage am Roggenmarkt, in der Verlängerung von Münsters Prachtstraße Prinzipalmarkt, war zwar optimal, aber der Quadratmeterpreis viel zu hoch, um eine entsprechende Verkaufsfläche zusätzlich anzumieten. Also waren wir ins billigere Bahnhofsviertel umgezogen, wo wir ein zweistöckiges Nachkriegsgebäude günstig übernehmen konnten. Im Winter fällt gelegentlich die Heizung aus, und die Wände sind so schlampig gebaut, dass sie schon beim kleinsten Erdbeben zusammenklappen würden. Allerdings hat es meines Wissens in Münster noch nie ein Erdbeben gegeben.
Auf Anraten meines Steuerberaters hatte ich eine GmbH gegründet und dabei, auf den ersten Blick ganz uneigennützig, Willi einen zehnprozentigen Anteil geschenkt. Ein kluger Schachzug, wie ich mir heute zugestehen muss, denn Willi brach daraufhin sein Sinologiestudium im 33. Semester ab und stürzte sich voll in die Arbeit.
Ich parkte im eingeschränkten Halteverbot und näherte mich über die Achtermannstraße. Nachts knallen einem schon von Weitem die lilafarbenen Neonröhren ins Auge. Auch jetzt, bei Tageslicht, kam der riesige Schriftzug Zweite-Hand-Kaufhaus gut zur Geltung.
Im Erdgeschoss läuft man direkt in die Münzen- und Briefmarkenabteilung. Darauf hatte ich bei der Planung bestanden. Kleidung gibt's in der ersten Etage und der zweite Stock wird von der Verwaltung und meinem Detektivbüro eingenommen.
Willi saß vor dem Computer und hämmerte mit zwei Fingern auf der Tastatur herum.
»Dass du dich auch mal wieder sehen lässt«, sagte er, ohne aufzublicken.
»Ich war in Holland«, erinnerte ich ihn.
»Und? Hast du den Punkie erwischt?«
» Die Punkie. Ich hab sie erwischt und sie ist mir entwischt.«
Er ließ das Gerät in Ruhe. »Du meinst, du hast sie am Strand getroffen und sie hat gesagt: ›Leck mich!‹«
»So ähnlich«, gestand ich. »Vorher waren wir noch in Amsterdam chinesisch essen.«
»Erklär das mal dem Vater!«, sagte Willi und fuhr den Ledersessel, Modell Boss, einen halben Meter zurück. »Der hat heute schon zwei Mal angerufen. Ich bin's langsam leid, deine Klienten abzuwimmeln. Beim nächsten Mal gebe ich ihm deine Privatnummer.«
»Untersteh dich!«, sagte ich. »Es kann ihm im Moment nichts Besseres passieren, als im eigenen Saft zu schmoren. Vielleicht fragt er sich dann, was er mit seiner Tochter falsch gemacht hat.«
»Wer so eine fiese Stimme hat«, schnaubte Willi, »der ist über jeden Selbstzweifel erhaben.«
»Möglich«, gab ich zu. »Dann lass mir wenigstens ein bisschen Zeit, damit ich vor der schicksalhaften Begegnung Mut schöpfen kann. Wenn er noch mal anruft, sag ihm, ich wär in Holland und würde eine heiße Spur verfolgen. Spätestens morgen Abend bekäme er von mir einen ausführlichen Bericht.«
Willi zuckte mit den Schultern. »Ich bin ja nur dein kleiner Geschäftsführer. Es steht mir nicht zu, die weisen Ratschlüsse meines Herrn und Meisters zu kritisieren.«
»Da wir schon beim Geschäftlichen sind«, lenkte ich ab, »wie läuft's denn?«
Willi fuhr wieder an den Computer heran und tippte ein paar Befehle ein. Auf dem Bildschirm erschien eine Statistik.
»Im Vergleich zum Vormonat ist der Umsatz um 2,7 Prozent gestiegen. Das kann natürlich am schlechten Wetter in der letzten Woche liegen. Bei schlechtem Wetter bummeln die Leute ausgiebiger. Andererseits ist der Umsatz der Kleiderabteilung überproportional gestiegen. Seitdem wir Werner in die Wüste geschickt haben, geht's mit der Kleiderabteilung rapide aufwärts. Cilly ist einfach Spitze. Die weiß, was die Leute tragen wollen. Werner war völlig hinter dem Mond. Der hat noch Fünfzigerjahre eingekauft, als die Kids längst in den Sechzigern waren. Wenn man
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