In besten Kreisen
sich noch einen Drink.
»Du hättest mich einweihen können«, sagte Kate.
»Es war schlimm genug, auf Emmets schauspielerische Kunst zu bauen, und deswegen wollte ich nicht noch jemanden hineinziehen.
Nicht, daß ich Emmets Begabung für Salonkomödie unterschätze – aber Melodrama schien mir nicht ganz auf seiner Linie.« »Übrigens ging alles allein auf mein Risiko«, sagte Emmet, »und wenn ich am Ende auch nur als Esel dagestanden hätte. Schließlich war es eigentlich meine Schuld.« »Es war unser aller Schuld«, sagte Kate. »Und führe uns nicht in Versuchung, wie Grace richtig sagte. Ich hätte mehr nachdenken sollen.« »Obwohl wir alle viel zu gedankenlos miteinander umgehen«, sagte Reed, »so war doch die Frau, die er getötet hat, der einzige wirkliche Sünder. Zumindest verschafft mir der Gedanke einige Befriedigung, daß kein Unschuldiger für die Sünden von Mrs. Bradford büßen muß.« »Haben Sie von Anfang an geglaubt, daß es William war?« fragte Grace. »Für die Polizei offensichtlich der Täter, sagten Sie, glaube ich.« »Nicht von Anfang an, aber schon recht bald. Je länger ich dar-
über nachdachte, desto klarer wurde mir, daß nur ein Verrückter es riskiert hätte, ein geladenes Gewehr herumliegen zu lassen. Und trotz all der Geschichten über Schießübungen am frühen Morgen ist es fraglich, ob sich jemand wirklich darauf verlassen würde, wenn er einen Mord plant. Und selbst wenn der Täter fand, es sei das Risiko wert, so war doch die Bedrohung für den Jungen und uns alle furchterregend groß. Das Entsetzen, mit dem der Richter bei der Anklageerhebung gegen William auf die Schießübungen reagierte, hat mir das bewußt gemacht. Und außerdem war es immer Leo, der ›schoß‹.
Wieso dann dieses eine Mal nicht, falls es sich tatsächlich um eine Kugel handelte, die ein Dritter eingeschmuggelt hatte und von der William nichts wußte? Wie schrecklich Williams Tat auch sein mag, er hat nicht Leo schießen lassen. Er hat das nicht über sich gebracht, hat nicht zugelassen, daß Leo, wenn auch unschuldig, zum Mörder wird. Aber genau dieses Faktum – daß nämlich Leo nicht geschossen hatte –, hat William in meinen Augen überführt.« »Darüber habe auch ich mir Gedanken gemacht«, sagte Grace.
»Ich weiß. Das Problem war natürlich, nachdem William für mich als derjenige feststand, der das Gewehr geladen und auch abgefeuert hatte, das Fehlen jeglichen Motivs. Die Frau mag ein Scheusal gewesen sein – und darin sind wir uns wohl alle einig –, aber William hatte sie ja vor diesem Sommer nie gesehen. Wie konnte er sie so sehr hassen, daß es für einen Mord reichte? Widerstrebend fing ich an, mich nach anderen Verdächtigen umzusehen – und eine Zeitlang hatte ich, wie auch Professor Knole, glaube ich, Mr. Mulligan im Auge. Aufgrund meiner Nachforschungen schien mir Mr. Mulligans Unschuld aber fast absolut sicher.« »Ob wir darüber jemals mehr erfahren?« fragte Grace.
»Verzeihen Sie meine Geheimnistuerei. Ich muß in diesem Fall um Ihre Nachsicht bitten. Jedenfalls, als ich aus New York zurückkam und zwei Unterredungen hatte, eine mit Emmet und eine mit Kate, da war in dem Puzzle plötzlich alles an seinem Platz. Ich sollte übrigens noch erwähnen, daß ich es nur Kates Gesellschaft und meiner Nähe zu ihr in ein und demselben Haus verdanke, wenn ich gelernt habe, in den für Kate typischen Gedankensprüngen eine für mich so ungewöhnliche Folge der Ereignisse nachzuvollziehen. Zu meiner Ehre sei gesagt: Ich fing an, wie ein Englisch-Professor zu denken.« »Sehr galant ausgedrückt, mein Lieber. Aber wenn solche Komplimente mich auch freuen, deine Schlußfolgerungen verwirren mich noch immer.« »Emmet hatte entdeckt, daß etwas fehlte, irgend etwas, von dem Joyce in einem Brief an Lingerwell schrieb. Es bestand die Möglichkeit, daß Emmet es selbst genommen hatte – aber es spricht für Kate, daß sie genug Menschenkenntnis besitzt, um das für unwahrscheinlich zu halten.« Emmet sah Kate an, die errötete. Ich habe es noch immer nicht gelernt, Komplimente zu akzeptieren, dachte sie. Verdammt.
»Emmet hat die meisten Theorien aufgestellt, aber als literarischer Kopf ist er natürlich daran gewöhnt, seine Gedanken unlogische Wege gehen zu lassen.« »Wenn man lange genug Joyce gelesen hat, kommt so etwas von ganz allein. Es ist eher eine Aneinanderreihung von Assoziationen als eine logische Kette.« »Klingt wie ›Tristram Shandy‹«, sagte
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