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In dein Herz geschrieben

Titel: In dein Herz geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Duncan Andrea Brandl
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gewesen, und Marvelle war vor Angst, ihr Baby könnte ertrunken sein, regelrecht hysterisch geworden. Doch Walton hatte sie am Ende des Docks gefunden,
wo sie gelegen und die Fische beobachtet hatte. Sie war davongelaufen, während ihre Eltern die Sachen gepackt hatten. Als sie versucht hatten, sie in den Wagen zu verfrachten, hatte sie einen schrecklichen Tobsuchtsanfall bekommen, und Marvelle hatte später erzählt, sie habe bestimmt eine Stunde lang geweint, bis sie endlich eingeschlafen sei.
    Ein anderes Mal, etwa zwei Jahre später, kamen Marvelle und Cassandra mit dem Bus, nachdem May ein weiteres Baby verloren hatte, diesmal ein Mädchen. Sie hatte es länger behalten als die anderen Male, fast sieben Monate. May legte sich ins Bett und konnte sich nicht aufraffen, wieder aufzustehen. Jeden Morgen und Abend versuchte Marvelle, sie zu einem Spaziergang am Strand zu überreden. Dann begann sie, Cassandra zu ihr zu schicken, um sie zu fragen. Tag für Tag legte das kleine Mädchen das Kinn auf den Rand ihrer Matratze und starrte May an, bis sie die Augen aufschlug. So lange, bis May ihrer Bettelei nicht mehr widerstehen konnte.
    Eines späten Abends, unmittelbar vor ihrer Abreise, hörte May, wie Walton auf der Veranda mit Marvelle redete, ob sie Cassandra nicht bei sich behalten sollten. Das hatte sie sich insgeheim gewünscht, doch nie gewagt, es laut auszusprechen. Sie stand da, im Dunkeln, lauschte und sah es wie einen Film vor ihrem geistigen Auge ablaufen - sie, Walton und Cassandra gemeinsam am Tisch, in der Kirche, beim Angeln am Pier, im Wagen.
    Nach ihrer Abreise hasste May Marvelle eine Zeit lang mit einer solchen Inbrunst, dass sie sich vor sich selbst fürchtete. Es war nicht fair, dass sie all diese Kinder hatte, während May kein einziges geblieben war. Außerdem war Cassandra ein Nachzügler. Sie war zur Welt gekommen, als Marvelle geglaubt hatte, dieses Thema längst abgeschlossen zu haben. Sie würden Marvelle und Jesse einen Gefallen tun, wenn sie dieses Mädchen für sie großzogen. Doch dann fiel ihr Marvelles Antwort wieder ein, die sie Walton an diesem Abend
auf der Veranda gegeben hatte, und ihr Hass verflog sofort. »Walton, der Herr hat mir drei meiner Mädchen und zwei Jungs genommen. Ich kann nicht noch eines hergeben. Ich kann einfach nicht.«
    Als sie Cassandra angerufen und ihr gesagt hatte, sie könne nicht zu ihrer Hochzeit kommen, hätte May am liebsten gefragt, ob sie vorhatte, eine Familie zu gründen. Insgeheim hatte sie das gehofft, auch wenn ihr die damit verbundenen Gefahren durchaus klar waren. Für eine Frau stellte es ein Risiko dar, wenn sie in diesem Alter noch ein Baby bekam, schließlich war Cassandra bereits über vierzig, und alles Mögliche konnte passieren. Dem Baby und auch ihr selbst. Trotzdem schienen die Frauen heutzutage kein Problem damit zu haben, in den Vierzigern schwanger zu werden. Sie sah häufig welche im Supermarkt oder anderswo. Frauen, die alt genug waren, um bereits Großmutter zu sein, mit Bäuchen so groß wie Basketbälle. Aber Doris hatte wohl recht: Bestimmt war es zu spät.
    Doch für die Liebe und die Romantik war es nie zu spät. In Mays Augen waren sie und Walton der lebende Beweis dafür. All die Jahre, und noch immer waren sie einander nicht überdrüssig. Sie hatte sogar vorgehabt, Fotos an die News-Times , die Bezirkszeitung von Carteret, zu schicken, für diese Rubrik, in der Ehepaare an ihrem Hochzeitstag und fünfzig Jahre danach gezeigt wurden. Doch eines Morgens hatte Doris gemeint, wie albern diese Leute aussähen und dass sie sich schämen würde, wenn ihr Foto in einem solchen Käseblatt erschiene. May hatte am Herd gestanden und sich angehört, wie sie sich über eine derartige Bagatelle so aufregte, und sich gefragt, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn Walton so jung wie Hubert, mit gerade einmal dreiundvierzig Jahren, gestorben wäre. In diesem Fall wäre sie wahrscheinlich ebenso wütend beim Anblick all dieser Leute, die etwas hatten, was auch ihr zustünde, was für sie jedoch unerreichbar wäre.

    Trotzdem hatte Doris so vieles, wofür sie dankbar sein konnte, dachte May. Fünf kräftige Söhne und eine ganze Horde Enkelkinder, einschließlich dieses Mädchens dort drüben, das nicht reizender sein könnte. Und May hatte versprochen, ihr Brathähnchen zum Abendessen zuzubereiten, deshalb sollte sie sich besser an die Arbeit machen. Sie stand auf und schwankte einen Moment lang, ehe ihre Beine endgültig Halt fanden.

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