In den Armen des Dämons: Roman (German Edition)
auf.
» Sie kommen bestimmt von Harvard oder Yale«, meinte sie.
Er schnaubte. » Wohl kaum.«
Carson bemühte sich um Konzentration, aber wieder sah sie diese Farbblitze vor sich. Sie versuchte, sie allein durch ihren Willen auszublenden. » Dann sind Sie ein Sammler? Jemand, der bei einer Auktion gegen Magellan den Kürzeren gezogen hat?« Sie blickte durch die Farben hindurch auf sein Gesicht. » Sind Sie jemand, der Artefakte erwirbt?«
» Nein, nein und ein drittes Mal nein.«
Eine Kellnerin kam, und er bestellte auf Chinesisch, ohne in die Karte geschaut zu haben. Diesmal verstand Carson nicht das Geringste. Sie zeigte auf ein Gericht, das billig war und sich nicht allzu exotisch anhörte. Und dann saß sie da, wusste nicht, was sie tun sollte, außer in die Teekanne zu schauen und zu überprüfen, ob das Wasser schon Farbe angenommen hatte, obwohl der Tee noch nicht lange genug zog.
Carson lehnte sich zurück. Nikodemus beobachtete sie, den Kopf zur Seite geneigt. Ihr Schädel schmerzte so sehr, dass sie sich dumm und begriffsstutzig vorkam.
» Wieso sind Sie mir gefolgt?«, wollte sie wissen.
Er sah sie an, als sei sie nicht recht bei Verstand. Und wahrscheinlich war sie das in diesem Moment auch nicht. Sie konnte kaum vernünftig denken.
» Weil Sie Magellans Hexe sind«, erwiderte er und zuckte mit den Schultern.
» Wenigstens unterstellen Sie mir nicht noch etwas Schlimmeres«, sagte sie und lehnte sich so unvermittelt zurück, dass ihr Kopf zu platzen drohte. » Dennoch würde ich es schätzen, wenn Sie mich nicht mehr so nennen würden.«
» Ich denke, Sie wissen sehr genau, was ich meine.«
Sie rieb sich die Schläfen. » Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht.«
» Dann will ich Ihnen mal helfen.« Er tat so, als müsste er nachdenken. » Carson Philips, Sie sind eine Hexe.«
Er sagte das in einem Ton, als hätte dieses Wort eine besondere Bedeutung, die sich jedoch gerade ihrem überstrapazierten Hirn entzog. Sie fragte sich, ob er vielleicht Magellans Arbeit über Nikodemus gelesen hatte. Bestimmt.
» Klar, natürlich bin ich eine Hexe. Genauso, wie Sie der Dämon sind, der sich vermutlich zum ersten Mal vor fünftausend Jahren in der Wüste Gobi manifestiert hat.«
Er verzog keine Miene. » Das Klima hier bekommt mir besser.«
» Ha, ha, ha.« Sie schätzte ihn auf Anfang dreißig, vielleicht ein bisschen jünger. » Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte sie.
» Warum fliehen Sie vor Magellan?«
» Wer sagt denn, dass ich das tue?« Ihre Finger zitterten, daher legte sie ihre Hände auf das weiße Tischtuch, starrte auf ihre Handrücken. » Kann man denn nicht mal ein bisschen shoppen gehen, wenn man Lust darauf hat?« Das schien leichthin gesagt, doch ihre Hände verrieten ihre Anspannung. Sie versuchte, die Finger zu lockern, doch es gelang ihr nicht.
Er wusste, dass sie Magellan davongelaufen war. Woher? Woher wusste er so vieles über sie, ein vollkommen Fremder? Während sie selbst noch nicht einmal die Leute, mit denen sie so lange zusammengelebt hatte, richtig kannte. Das, was sie in Magellans Haus gesehen hatte, hatte ihre Welt auf den Kopf gestellt, und nun war sie nicht mal sicher, ob sie der Kellnerin trauen konnte, geschweige denn diesem Nikodemus ohne Nachnamen.
» Vielleicht kann ich Ihnen helfen«, fuhr er fort.
Als sie aufschaute, überfiel sie der absurde Gedanke, dass er tatsächlich dazu in der Lage sein könnte, und ließ sie nicht mehr los.
Er beugte sich näher zu ihr. » Warum fangen wir nicht damit an, dass Sie mir mehr über Magellan erzählen?«
Die rechte Seite ihres Kopfes fühlte sich taub an. Auf den Sternrubin in seinem Ohrläppchen zu schauen half ihr, sich zu fokussieren. Der Schmerz pochte nicht mehr so heftig.
» Meine Eltern sind tot«, begann Carson. » Seit ich acht war, habe ich bei ihm gelebt.« Bei ihm, das war die passende Bezeichnung. Unpersönlicher als Álvaro Magellan hätte sich kein Mensch einem Kind gegenüber verhalten können. » Von Anfang an legte er Wert darauf, mir deutlich zu machen, dass er sich lediglich einer Verpflichtung beugte. Hätten meine Eltern ihn nicht zu so etwas wie meinem Vormund bestimmt, hätte es keinerlei Verbindung zwischen uns gegeben. Er gab mir zu essen. Und ein Dach überm Kopf. Bezahlte meine Kleidung, versorgte mich mit Taschengeld. Bis ich zwölf war, wechselte ein Kindermädchen das andere ab, jedes Jahr ein neues, und stets wurde ich eindringlich gewarnt, ihn bloß nicht zu belästigen.
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