In den Armen des Dämons: Roman (German Edition)
» warum laufen Sie vor mir davon?« Seine Stimme klang einschmeichelnd und verlockend.
Während Carson weiterging, kramte sie in ihrer Handtasche nach einem Dollar. Ihre Finger zitterten. Wenn jemand sie beobachtete und sah, dass sie ihm einen Dollar gab, dann würde er vielleicht denken, dass der Typ sie einfach anbettelte und deshalb dieses Theater veranstaltete. Sie tastete über den Boden ihrer Tasche, und ihre Finger streiften das kleine Objekt, das dort lag. Carson zuckte zusammen. Die Statuette fühlte sich heiß an.
» Wer auch immer Sie sind, verschwinden Sie.« Selbst ihre Stimme zitterte. Carson fand einen Dollar. Sie blieb stehen und hielt ihn dem Fremden hin. Der Schein flatterte in der Luft. » Wenn Sie ein Freund von Álvaro Magellan sind, dann will ich nichts mit Ihnen zu tun haben.«
Er legte beide Hände an die Brust und gab vor zu taumeln. » Ein Freund!«
» Hören Sie auf, mich zu belästigen!« Sie tat so, als hielte sie nach einem Polizisten Ausschau. » Hier, nehmen Sie den. Und gehen Sie jetzt. Bitte!«
Er lächelte. Seine Zähne waren weiß und ebenmäßig. » Danke.« Er nahm den Schein. » Carson.«
Als er den Kopf bewegte, bemerkte sie, dass er in einem Ohrläppchen einen Sternrubin trug, einen Rubin, der das Licht sternförmig reflektierte. Der rund geschliffene Stein schien ihr zuzublinzeln.
Carson erstarrte, irritiert von dem Gedanken, dass dieser Edelstein sie beobachtete.
» Finden Sie nicht, wir sollten darüber reden, was Sie hier machen? So ganz allein?«, fragte der Fremde.
» Nein, das finde ich nicht.«
» Aber ich.«
Er musste mindestens einsneunzig sein und damit rund dreißig Zentimeter größer als sie. Ihre Chancen standen schlecht. So wie ihre Kopfschmerzen sie immer weiter schwächten, würde es ihr kaum gelingen, ihm davonzurennen. Und bei einem Gerangel würde sie garantiert nicht die Oberhand behalten.
Er beugte sich zu ihr. » Magellan steht auf meiner Liste der meistgehassten Leute ganz oben, und falls er diesen Platz auch auf Ihrer Liste einnimmt, dann sollten wir unbedingt miteinander reden.«
Ihre Knöchel schmerzten bereits, so fest hielt sie die Handtasche umklammert. Sie starrte in sein Gesicht, musste zu ihm aufschauen. » Aber nicht hier.«
Erneut lächelte er. » Ich bin kurz vorm Verhungern«, sagte er. » Was halten Sie von dem Restaurant dort drüben?«
Fünf Minuten später betrachtete Carson ratlos die Speisekarte. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was die Namen der Gerichte bedeuteten. Diese Kultur, die ihre Speisen Frühlingsrollen, General Tsos Huhn oder Mapo Tofu nannte, war ihr völlig fremd.
Magellan aß niemals auswärts, und so war auch sie noch nie in einem Restaurant gewesen. Hin und wieder ließen seine Leute sich Essen liefern, aber sie hatte man nie dazu eingeladen. Frauen zählten nicht viel in ihrer Welt. Und sie war auch keine Angestellte, nicht wirklich, obwohl sie definitiv nicht zur Familie gehörte.
Das Licht in dem Restaurant war gedämpft, was ihre Kopfschmerzen aber nur in einem deprimierend geringen Maß milderte. Carson saß zur Wand hin, doch sie hatte ihren Stuhl zur Seite gedreht. Sie war nicht so dumm, ihren ungeschützten Rücken einer Tür zuzukehren, die sie nicht im Auge behalten konnte.
Nikodemus, der mit dem Rücken zur Wand Platz genommen hatte, hatte sich entspannt in seinem Stuhl zurückgelehnt. Als sie das Lokal betreten hatten, hatten sich die Leute nach ihnen umgedreht, Frauen wie Männer, schließlich war dies San Francisco. Er hatte eine starke Ausstrahlung, die Aufmerksamkeit erregte. Carson fand das irritierend.
Er grinste sie an. » Ich glaub’s einfach nicht: Carson Philips, wie sie leibt und lebt.«
Sie starrte zurück, sprachlos. Würde ihr Kopf nicht so heftig pochen, hätte sie vielleicht schon herausgefunden, warum er sich ausgerechnet Nikodemus nannte. Ohne Nachnamen. Das war kein Name, den man sich mal eben so aussuchte. Nicht, wenn dieser Name eine so wichtige Rolle in den Mythen spielte, die Magellan studierte. Er hatte sogar selbst eine Arbeit über diesen Nikodemus verfasst und über die Rituale, mit denen er verehrt wurde.
Das Dumme war nur, dass dieser Nikodemus hier– oder wer auch immer er sein mochte– jetzt kein bisschen gefährlich mehr wirkte. Er war jung. Vom Alter her war er ihr viel näher als Magellan. Er machte den Eindruck, dass man Spaß mit ihm haben könnte. Als ob es interessant sei, ihn kennenzulernen.
» Sagen Sie etwas!«, forderte er sie
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