In den eisigen Tod
Discovery -Hütte als Zufluchtsort errichtete. Heute erzählt diese Hütte weniger von Scott als von jener Gruppe von Shackletons Männern, die später bei seiner vergeblichen Trans-Antarktis-Expedition hier strandeten. Doch im rauchgeschwärzten Inneren riecht es noch immer nach dem Heu, das Scotts Ponys fraßen, als er 1911 bei seiner Rückkehr von seinem Ausflug zum Anlegen von Vorratsdepots hier festsaß, und auf dem Boden sind noch immer die Spuren ihrer Hufe zu sehen. Das Kreuz aus Dscharraholz, das Scotts Männer auf dem nahen Observation Hill zum Gedenken an ihre toten Kameraden aufgestellt hatten, ist ebenfalls noch da, und wir kletterten zu ihm hinauf. Als wir dort standen, stahlen sich violette Schatten vom Pol herüber, und wie so viele vor uns spürten wir die ganze Macht dessen, was eine der faszinierendsten und verlockendsten Regionen der Erde ist.
Es war traurig, auf der Rückfahrt nach Norden darüber nachzudenken, dass die Probleme weiter zunehmen, obwohl Maßnahmen ergriffen wurden, um die historischen Hütten vor den Auswirkungen von Alterung und Klimawandel zu schützen. Höhere Temperaturen haben zur Folge, dass schädliche Pilze das Holz befallen, während das Meersalz die Metallbehälter angreift und einige rosten lässt. Die Debatten über die Zukunft der Hütten und über die Frage, ob zum Beispiel verfallende Artefakte einfach belassen oder aber durch ähnliche Gegenstände aus jener Zeit oder gar durch Nachbildungen ersetzt werden sollen, wurden heftig und emotional geführt. Einige Leute waren der Meinung, die Hütten sollten durch geodätische Kuppeln geschützt werden, andere sprachen sich sogar dafür aus, sie nach Neuseeland zu versetzen, wo sie von mehr Menschen besichtigt werden könnten. Doch inzwischen ist man übereingekommen, dass die Terra-Nova -Hütte auf Cape Evans an Ort und Stelle restauriert werden soll, und Ende 2009 waren fast 3,5 Millionen Pfund bereitgestellt und die Arbeiten, die laut Planung 2014 beendet sein sollen, im Gange.
Unterdessen liegen die Leichname von Scott und seinen beiden Kameraden, »nun in ihrer Größe ... unverändert und unverwest«, wie Atkinson sich ausdrückte, so da, als würden sie unter ihrem Eisbaldachin nur schlafen. 8 Eines Tages, wenn die Schelfeistafel sich zum Meer hinunterbewegt, wird das Stück Eis, das ihre Leichen beherbergt, abbrechen und sie wieder nach Norden tragen. Neueren Berechnungen zufolge sollte dies frühestens in 265 Jahren geschehen. 9
Doch hier müssen wir uns von einer Geschichte verabschieden, die zwar ganz und gar Teil ihrer eigenen Zeit ist, uns aber doch nach wie vor fasziniert. Tatsächlich gewinnt – je geschäftiger, voller und einengender unsere Umwelt wird – Scotts Unzufriedenheit mit dem, was er diese »schrecklich zivilisierte Welt« nannte, immer mehr an Bedeutung. Wir können den Geist verstehen, der diese fünf Männer auf ihrer seltsamen Suche antrieb, und eher ihre Leistung schätzen, als sie für ihr Versagen kritisieren. Wie Cherry-Garrard es im Namen seiner toten Kameraden ausdrückte: »Wir vollbrachten zwar eine Tragödie ersten Ranges ... aber die Tragödie war nicht unsere Sendung.« 10
Dank
Immer, wenn ich an der South Hampstead High School für Mädchen zwischen den verschiedenen Sälen hin- und hereilte, stach mir ein mit großen gotischen Lettern geschriebenes und in Eiche gerahmtes Zitat in die Augen: »Hätten wir überlebt, hätte ich eine Geschichte zu erzählen gehabt, die das Herz jedes Engländers gerührt hätte – R.F. Scott.« Viele Jahre später entschloss ich mich, diese Geschichte zu erzählen, und zwar nicht nur wegen der ihr eigenen Überzeugungskraft und ihrer fortwirkenden Melancholie, sondern auch, weil sie etwas über den britischen Charakter und unsere Vorstellung von einem Helden aussagt. Bei meinen Recherchen erfuhr ich, dass South Hampstead eine der vielen Schulen war, die sich von Scotts Expedition im Jahre 1910 aufrütteln ließen und auf seine Bitte um Hunde und Ponys reagierten. Mir wurde endlich klar, warum diese Worte 50 Jahre nach seinem Tod immer noch an so prominenter Stelle gezeigt wurden.
Wieder einmal bin ich meinem Mann Michael für seine Hilfe und seinen Rat, für seine umfangreichen Recherche- und Redaktionsarbeiten sowie für seine Idee für den Schutzumschlag zu Dank verpflichtet. Für seine Freundlichkeit danke ich auch Lord Kennet, der mir Zugang zum Familienarchiv, das in der Bibliothek der Universität Cambridge aufbewahrt wird,
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