In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
Einblick voller interessanter Sackgassen sein.
Sehen Sie einfach selbst.
Aleš Pickar,
Eichenau, April 2013
Aleš Pickar
In den Spiegeln
Teil 1
Das Haus der Kraniche
Widmung
Für Ute Mörbitz, die es in unvergesslicher Weise versteht,
einem alltagsfremden Autor mit Rat und Tat beizustehen.
Danksagung
Ein besonderer Dank richtet sich an die
Wichtigsten Helfer dieses Unterfangens:
Daniel Kopper, Bernd Dost, Hanspeter Ludwig,
Gerdt Fehrle, Stephanie Pilzweger und Annika Ernst.
Vorwort
Das vorliegende Buch basiert auf den Aufzeichnungen von Jan-Marek Kámen. Es handelt sich hierbei um ein Manuskript, das er 2005 angeblich in einer psychiatrischen Anstalt schrieb. Auf dem Boden der Schuhschachtel, in der ich den zerknitterten und recht verschmutzten Papierstapel gefunden hatte, lagen auch einige ausgeschnittene Zeitungsartikel, tagebuchartige Vermerke und sogar kurze Sätze, die eilig an den Rand von Caféhaus-Quittungen gekritzelt worden waren. Nach der Überarbeitung des oft unübersichtlichen Haupttextes, fügte ich nach eigenem Ermessen einige dieser Bruchstücke an Stellen ein, die sich hierfür anboten.
Eine handgeschriebene Notiz mit der Überschrift »Spiegel sind Türen« scheint aus der Gesamtheit der mir vorliegenden Texte das jüngste Fragment zu sein, weshalb ich es an den Anfang setzte, als Prolog.
Der Wahrheitsgehalt dieses Textes ist umstritten. Das zeitgleiche Auftreten der neuen und unbekannten Störung »Holophrenie« in der psychiatrischen Fachpresse des frühen 21. Jahrhunderts bestätigte auf eine befremdliche Weise Aussagen, die ich in Kámens Manuskript fand, doch erhärtete zugleich die Möglichkeit, dass sich die vorliegenden Berichte aus akuten Wahnvorstellungen zusammensetzen.
In diesem Sinne, blättern Sie um. Ihre Probleme haben gerade erst begonnen…
»NICHTGEBORENSEIN
SCHEINT MIR DAS HÖCHSTE...«
— Sophokles: Ödipus auf Kolonos
gedichtet von Friedrich Hölderlin
»IN GIRUM IMUS NOCTE ET CONSUMIMUR IGNI.«
»WIR IRREN DES NACHTS IM KREIS UMHER
UND WERDEN VOM FEUER VERSCHLUNGEN.«
— Lateinisches Palindrom
»ICH HABE GUT UND BÖSE GEKANNT,
SÜNDE UND TUGEND, RECHT UND UNRECHT;
ICH HABE GERICHTET UND BIN GERICHTET WORDEN;
ICH BIN DURCH GEBURT UND TOD GEGANGEN,
FREUDE UND LEID, HIMMEL UND HÖLLE;
UND AM ENDE ERKANNTE ICH,
DASS ICH IN ALLEM BIN UND ALLES IST IN MIR.«
— Hazrat Inayat Khan (1882 — 1927)
Prolog: Spiegel sind Türen
Nennt mich ruhig Victor Frankenstein. Denn ich habe ein Monster geschaffen. Einen Unhold, der mich nun quält. Doch mein Monster ist aus Papier, das aufbegehrt. Es empört sich gegen mich. Es ernährt sich von meinen Worten, doch seine Zeilen kriechen zurück unter meine Haut.
Mein Monster liegt vor mir. Ein Manuskript, dessen Seiten verknittert und angerissen sind; sie tragen trockene Blutspuren. Es war nie meine Absicht, diese Gedanken aufzuschreiben. Ich wurde dazu gezwungen. Ich musste meine persönliche Entscheidungsschlacht schildern, den Krieg zwischen Vorbestimmtheit und Willensfreiheit. Denn das ist meine Geschichte.
Nun blickt mich dieses Scheusal an und bestätigt den Grad des Wahnsinns, den ich durch meine Pforten ließ. Soll es nun jeder lesen und selbst sehen, was hinter verschlossenen Türen geschieht.
Ich lasse den Rauch aus meinen Lungen strömen und die Droge durch mein Blut rasen. Und ich weiß, es macht mich zurechnungsfähiger. Denn die Täuschungen der Realität sind mir unerträglich geworden.
Den größten Teil des Textes schrieb ich widerwillig in einem kargen Raum mit einer Metalltür ohne Türklinke. Nun gilt es noch einige Verschlusssteine zu setzen und das Bauwerk der Abkehr ist fertig. Ich lehne mich zurück im vertrauten Rausch. Etwas Musik und etwas Dunkelheit. Gedanken sammeln. Noch eine Seite, noch zwei, vielleicht drei, dann ist es getan.
1.01 Der Ausflug
Kanäle...
Schächte...
Gänge...
Bin ich ein Schatten, während das wahre Ich über mir spaziert und mir mit jedem Schritt die Fußknöchel zu zertrümmern versucht? Kanäle... Dort kenne ich keine Lügen. Nur den feuchten Geruch von Kalk und Zement: die Würze des Untergrunds. Dort sind die Gedärme der Hure aus Stahlbeton, die sich windet und wächst, während in ihren Adern Gift pulsiert — Blei und Stahl — tagaus, tagein. In ihren Arterien hasten, roten Blutkörperchen gleich, die Menschen. Auf der Jagd nach dem Unwiederbringlichen. Nach Träumen. Nach Sehnsüchten. Nach der verlorenen Zeit.
Weitere Kostenlose Bücher