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In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche

In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche

Titel: In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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mich.
    »Z´fü Kaffä?« Er hält seine Hand auf Augenhöhe. Ein lässig gekleideter Mittdreißiger. Österreichischer Akzent. Vermutlich Wien. »Das Problem habe ich auch immer. Zuviel Espresso an´am Tag und Sie san wie unter Strom...«
    Ich nicke leicht und gehe auf Abstand, indem ich die Augen schließe und so tue, als würde ich schlafen wollen. Auf der Vierer-Sitzgruppe vor mir sitzen die Mädchen und dösen vor sich hin. Es ist schwer keinen Jesus-Komplex zu kriegen, von diesen kleinen mandeläugigen Magdalenen.
    Mein Wunsch zu schlafen ist echt, aber wird es mir gelingen? Der ICE rast leise durch die Nacht. Sind wir in einem Tunnel oder schon wieder draußen? Ich schiele aus dem Fenster und sehe neben der Spiegelung meines Gesichts ein kleines Dorf und einen kargen Anlegeplatz, der sich im Flusswasser spiegelt. Kühle Scheinwerfer beleuchten einsam den Holzsteg.
    Was geschah nur wenige Stunden zuvor?
    Manzio und ich hatten die Mädchen gefunden. Bei unserer Ankunft verhielten sich die jungen Frauen leise. Sie waren mit Gewalt und Horror dazu abgerichtet worden, sich stets leise zu verhalten. Ihre Augen blickten uns unruhig an. Es gab zu diesem Zeitpunkt nichts, dass sie zu der Annahme verleitet hätte, wir seien die »guten Jungs«. Und waren wir denn die guten Jungs? Und weshalb ist das Gute stets so nah am Dummen?
    Die blaue Tür.
    Die Stimmen...
    Manzio...
    Was stimmte nicht mit Manzio? Ich konnte nicht anders, als ihm folgen. Hinein durch die letzte Tür, die nun offen vor mir stand und aus der nur reinste Dunkelheit herausquoll. Und es gab Stimmen. Da unten.
    Ich hielt mich nur wenige Schritte hinter ihm. Es sah nicht aus, als ob er vor hatte, mich durch die Situation zu moderieren. Im Gehen löste er all das alberne Zeug von seinem Gürtel, das er sich zuvor hingehängt hatte. Dann wandte er sich plötzlich zu mir um und warf mir das kurze Maschinengewehr zu.
    »Wenn es sich nicht vermeiden lässt, werde laut.«
    Er behielt nur den Schlagstock in der Rechten. Er wirbelte ihn im Gehen ein wenig, als wollte er ein Gefühl für dieses Instrument bekommen und nahm Anlauf. Ich versuchte mit ihm Schritt zu halten.
    Im nächsten Augenblick rannte er durch die nächste verschlossene Tür und tauchte springend in die Dunkelheit. Als ich Sekunden später an der Tür ankam, sah ich ihn unten, eine Etage tiefer, umgeben von mindestens fünf anderen Söldnern, die ebenfalls in schwarzen Kampfanzügen steckten. Manzios Bewegungen waren schnell und dynamisch. Ganz anders als die Bewegungen des Manzio, den ich bis dahin kannte. Wenn das hier irgendein Dope war, wollte ich davon auch etwas.
    Aber das sind Scherze, die mir einfallen, während ich in meinem brüchigen Gedächtnis herumirre. Doch damals...? Oh, damals... Ich hielt dieses dunkle Gewehr in der Hand und begann zu ahnen, dass »laut werden« bedeutete »zu schießen« und dass ich zwar wusste, wo sich der Abzug befand, ansonsten jedoch mit dieser Aufgabe in jeder Hinsicht überfordert war. Somit klammerte ich mich gleichermaßen an die Maschinenpistole, wie an die Hoffnung, dass Manzio meine Hilfe nicht benötigen würde.
    Es dauerte nur Sekunden. Ich hörte ungünstige Geräusche, die offensichtlich mit brechenden Knochen zu tun hatten, sah un deutlich die Gestalten die aufeinanderprallten oder um einander herumwirbelten, und dann stand dieser Spinner alleine da und blickte zu mir hoch.
    »Beeil dich«, sagte er trocken und beugte sich zu einem der Söldner. Er riss ihm sein Messer aus dem Stiefel und schnitt dann ohne mit der Wimper zu zucken den Zeigefinger des Mannes ab.
    Ich trippelte gerade die Steintreppe herunter und achtete darauf, mir nichts zu brechen, doch als ich dieses Geräusch hörte, das mich entfernt an das Pulen von Krabbenfleisch erinnerte, stolperte ich und kam unten zwar noch stehend, jedoch bedenklich taumelnd an.
    Für Manzio war das kein ausreichender Anlass, mich zu beachten. Er setzte seinen Lauf fort.
    »Links, rechts, rechts, links«, zitierte er, während er durch die Gänge eilte. »Diese Lunge ist vollkommen unnütz.«
    Ich wollte ihn daran erinnern, dass der Lastwagen voller Dope daran schuld ist, den er über die letzten Jahre in seiner Bong weggeraucht hat. Doch für Polemik war keine Zeit.
    An einer Stelle blieb er stehen und öffnete einen Metallschrank, der in die Wand eingelassen war. Er zog daraus ein Computerterminal, tippte eine Weile herum und hielt dann den abgeschnittenen Finger an einen biometrischen Sensor.
    »Ab

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