In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche
hier gibt es Kameras«, erklärte er ohne mich anzusehen. »Ich kann sie aber für eine Weile deaktivieren.«
Wir eilten noch einige Meter weiter und stießen in dem halbdunklen Gang auf einen verschlafenen Söldner, der aussah, als hätte er die ganze Nacht eine Disco bewacht und nun endlich ins Bett wollte. Manzio sprang ihm förmlich ins Gesicht, riss ihn herunter und kniete nur Augenblicke später über seinem regungslosen Körper.
»Ich brauche seine Kleidung«, zischte er. »Und ich habe auch eine Aufgabe für dich.«
Er riss dem Mann das schwarze Hemd herunter und setzte sich dessen dunkle Schirmmütze auf.
»Eigentlich dürfte ich mit dir überhaupt nicht sprechen«, gab er mir zu verstehen, während er sich hektisch das Hemd zuknöpfte. »Du bist nur unter Beobachtung.«
»Manzio, was geht hier ab, Mann?« fragte ich erstickt. »Was machst du hier? Wer bist du eigentlich?«
»Manzio?« erwiderte er, während er sich die Hose zuknöpfte. »Der Name steht in deinem Dossier.«
Ich sah ihn sprachlos an und merkte gar nicht, dass wir uns inzwischen wieder in Bewegung gesetzt hatten. Bald standen wir vor einer Tür, auf der nur die Buchstaben »HQ« standen. Manzio hielt seinen Zeigefinger an die Lippen.
»Danke, dass du mir hier den Rücken freigehalten hast«, flüsterte er mir zu und nahm die Waffe aus meiner Hand. »Jetzt brauche ich nur noch eine Sache von dir. Wenn ich hineingehe, folgst du mir im Abstand von einigen Metern. Halte dich im Schatten. Du wirst links einen Kasten in der Wand sehen. Bleib bei diesem Kasten. Er lässt sich öffnen und beinhaltet die Sicherungen. Ein Schalter ist von den anderen abgesetzt und leuchtet grün. Wenn du einen Schuss hören solltest, kippst du diesen Schalter um.« Er wollte sich abwenden, doch dann hielt er kurz inne und sah mich wieder an.
»Mein Name ist Aramis«, sagte er trocken.
Dann war er verschwunden.
Vor mir befand sich ein kurzer Gang, der nach wenigen Metern in künstliches Licht getaucht war, das gedämpft durch eine Reihe aus Fenstern entlang des Gangs quoll. Ich schaltete die Taschenlampe aus und schlich mich langsam weiter, bis zum ersten Fenster. Da wir uns unter der Erde befanden, war es offensichtlich, dass es sich nicht um Fenster zur Straße handeln konnte. Die Oberfläche musste mindestens zehn Meter über uns liegen.
Ich hatte schon zuvor über die Länge der Korridore, die wir passiert hatten, nachgedacht. Über ihre ungefähre Richtung. Es war offensichtlich, dass sich ein Großteil dieser Anlage unter dem Westpark befand.
Langsam schielte ich um die Ecke, durch das erste Fenster, um festzustellen, dass ich mich auf einer Art Galerie duckte, oberhalb eines riesigen Raums, der von der Decke mit breiten Flutern beleuchtet wurde. Sie hingen in meiner Augenhöhe. Gute sechs Meter unter mir befand sich ein schlichter Saal mit Stahlschränken, Stühlen, Computern und einem zentralen großen Tisch mit wuchtiger, ovaler Platte. Dieser Tisch war belegt mit Karten, bedrucktem Papier und Photographien, deren Inhalt ich aus der Höhe nicht erkennen konnte. Es war nicht viel Phantasie nötig, um sich hier einen typische Strategieraum aus einem Kriegsfilm vorzustellen. Nur die uniformierten Generäle fehlten. Statt dessen liefen hier einige Männer in Arbeitskombis umher, nicht selten mit Schirmmützen auf dem Kopf und Werkzeugkästen oder Geräten in der Hand. Es waren offensichtlich Elektriker und Klempner.
Am anderen Ende des Saals standen sogar zwei schwarze Hubschrauber. Die Decke besaß eine kreisförmige Wölbung, die wie eine Irisblende aussah und offensichtlich einen direkten Zugang zur Oberfläche darstellte. Es bedeutete, dass nachts mitten im Westpark der Boden aufgehen konnte und daraus Helikopter entstiegen.
Obwohl die Fenster verschlossen waren, hörte ich Stimmen und die Geräusche von Werkzeugen. Im Raum befanden sich ebenfalls einige bewaffnete Söldner, die definitiv nicht der Bundeswehr angehörten, denn diese Kerle steckten in bequemen schwarzen Overalls und erinnerten eher an Einsatztruppen der Polizei. Doch ihre Abzeichen waren mir vollkommen unbekannt.
Es war offensichtlich, dass dieser Saal zu anderen Uhrzeiten wesentlich voller und belebter war. Nun war es späte Nacht, und nur eine Handvoll Leute hielt hier Wache oder ging einer ominösen Beschäftigung nach. In jenen Tagen war es noch nicht üblich, hinter jedem Verbrechen und jeder Konspiration die Araber zu sehen, und so dachte ich instinktiv an Russen oder eine
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