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In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche

In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche

Titel: In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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den konfiszierten Waffen an. Dort blieb er stehen und begann, mit gleichgültiger Miene, die Waffen in den Karton zu legen.
    Mein Herz klopfte schneller als ein Trance-Beat. Doch Manzios lockerer Gang zeigte nicht die geringste Spur von Aufregung. Er verschwand hinter der Tür zum Verhörraum, als hätte er schmutziges Geschirr in der Küche abzuliefern.
    Aufgeregt schlich ich mich wieder auf die Galerie oberhalb des Verhörraums. Der große Scheinwerfer war noch immer eingeschaltet. Ich konnte nicht sehen, was sich in der Dunkelheit hinter dem Scheinwerfer abspielte, doch ich hörte einige dumpfe Schläge und dann glitt der Körper der Wache stumm über den rauen Boden, hinein in den hellen Lichtkreis. Augenblicke später betrat auch Manzio das Licht und schlenderte zu der Frau. Er griff in den Karton und nahm das große Messer heraus. Er schnitt ihr damit die Lederfesseln durch. Dann stellte er die Kiste vor sie auf den Boden und kehrte zu dem bewusstlosen Soldat zurück.
    Das alles geschah wortlos. Keine Begrüßung, keine Gesten, keine Mitteilungen. Die Frau beugte sich vor und stützte sich erst mal gegen ihre Knie. Sie verharrte einige Zeit in dieser Haltung. Ich sah nun die Tätowierung auf ihrer Schulter, die aus einem Kreis bestand, der im gleichen Abstand von fünf Punkten oder Kugeln unterbrochen wurde. Inmitten dieses Kreises war die römische Zahl VII eintätowiert.
    Manzio zog inzwischen dem Soldat seine Jacke aus und brachte sie der Frau. Sie zog sie schnell über ihren nackten Oberkörper, nahm sich aber nicht die Zeit, die Knöpfe zu schließen. Statt dessen schlüpfte sie in das Schultergeschirr mit den beiden Pistolenhalftern und warf sich das kurze Maschinengewehr über die Schulter.
    Im nächsten Augenblick hörte ich unten das Geräusch der Tür. Ich wand meinen Kopf zur Seite, um zu sehen, was passiert war, aber ich war zu langsam. Manzio riss mit einer einzigen Bewegung eine Pistole aus dem Halfter und feuerte in den Scheinwerfer hinein.
    Sofort war es stockfinster. Geblendet von den Scheinwerfern, hatten meine Augen keine Möglichkeit, sich so schnell an das gedämpfte Licht anzupassen. Ich hörte nur die Geräusche von Stiefeln auf der Eisentreppe zur Galerie, überdeckt von weiteren Schüssen und schmerzerfülltem Geschrei. Panisch starrte ich in das schwarze Nichts. Dann sprang ich auf und schob mich hastig durch die Tür. Ohne nachzudenken griff ich in den Sicherungskasten und kippte den Hauptschalter um. Mit einem Schlag wurden alle Leuchten rot. Die gesamte Anlage tauchte in vollständige Dunkelheit.
    Ich rutschte entlang der Wand in die Hocke und rätselte, was als nächstes passieren würde.
    »Trödle hier nicht herum«, hörte ich plötzlich Manzios Stimme dicht neben meinem Kopf. Ich konnte die Frau riechen. Es war eine seltsame Mischung aus Schweiß, Blut und Spirituosen.
    Mehr dem Gehör nach folgte ich den beiden durch die Dunkelheit, zurück in den Fenstergang oberhalb des Hauptquartiers. Wir rannten durch die Korridore, ohne jemandem zu begegnen. Nur nach einer Minute standen wir wieder vor der blauen Tür.
    Erst jetzt holte mich langsam die Realität ein. Die Gegenwart war wie ein mächtiger Riese, der sich nun über mich beugte und mich ohrfeigte. Sei mir gegrüßt, denn hier bin ich, dein Nervenzusammenbruch. Flog mir gerade mein Leben um die Ohren?
    Die asiatischen Mädchen lagen und saßen noch immer auf ihren Pritschen und blickten uns verängstigt an. Manzio schloss die verrostete Eisentür hinter uns.
    »Wenn du die Thais unbedingt retten willst, dann nimm sie jetzt mit. Geh in die St. Pauls Kirche an der Landwehrstraße. Unter der fünften Kirchenbank ganz rechts ist ein Schlüssel angebracht. Du brauchst diesen Schlüssel, wenn du zum Hauptbahnhof gehst. Und du wirst ein Passwort brauchen. Es lautet: EKLIPSE. Wir werden uns oben auf der Straße trennen.«
    Die Frau lehnte sich erschöpft gegen die Wand und prüfte schweigend die Magazine ihrer Waffen.
    »Ich wollte sie nicht retten, das war doch deine Idee«, rief ich ihm zu, doch er beachtete mich nicht. »Und warum sollen wir uns trennen? Da unten gab es Tote! »
    Manzio kniete sich auf den Boden zwischen die Pritschen und blickte alle Mädchen einzeln an. »Rao pay«, zischt er ihnen mit halbleiser Stimme zu. »Rao pay. Phom chuay!«
    Es kam plötzlich Leben in sie. Die Thailänderinnen schienen nun eine Neubewertung der guten und bösen Jungs vorzunehmen.
    »Los! Schnell! Rao pay«, raunte ihnen Manzio zu.
    Wir

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