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In den Trümmern des Himmelsystems

Titel: In den Trümmern des Himmelsystems Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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heraus.“
    Bertha nickte.
    „Warum kamen wir nur jemals in das Himmel-System?“ Seine Stimme bebte.
    Sie sah auf. „Du weißt, warum wir kamen!“ Sie unterbrach sich, um Kontrolle über sich zu gewinnen. „Ich weiß es nicht… ich meine… ich meine, ich glaubte zu wissen…“ Vor vier Jahren, als sie Morningside verlassen hatten, war sie sich so sicher über alles gewesen: ihr Ziel, ihr Glück, ihre Heirat, ihr Leben. Und nun, plötzlich, kaum zu glauben, blieb lediglich das Leben übrig.
Warum?
    Weil die Bewohner des Planeten Morningside, einer kahlen, auf dem innersten Orbit befindlichen Welt eines roten Zwergsternes, einen Traum von Himmel hatten. Himmel: Ein Sonnensystem vom G-Typ, ohne erdähnliche Planeten, doch mit einem Asteroidengürtel, der reich an zugänglichen Metallen war. Und mit Diskus, einem Gasgiganten, bestehend aus gefrorenem Wasser, Methan und Ammoniak – den elementarsten Schlüsseln des Lebens. Sie hatten es möglich – fast einfach – gemacht, eine Kolonie zu bilden, nahezu unabhängig in ihrem Reichtum, im wahrsten Sinne des Wortes der Himmel für die Kolonisten vom Asteroidengürtel Sols, der immer von der Erde abhängig gewesen war, um überleben zu können. Himmel war zum Traum für eine andere Kolonie geworden, Morningside, die sich nun nach mehr als nur dem Überleben sehnte; der Traum, Kontakt mit Himmels Gürtel aufzunehmen und zu verhandeln, damit man an den überfließenden Schätzen teilhaben konnte.
    Der Traum, der das Sternenschiff
Ranger
drei Lichtjahre weit getragen hatte und der zerschmettert worden war wie der zerschmetterte Tagesraum durch die Realität des plötzlichen Todes. Die Einsamkeit brannte erneut in ihren Augen; ihr Geist sah die einhundert Meter messende Spindel der
Ranger,
jede Linie so vertraut wie ihr eigenes Gesicht, jeder Zentimeter fest in ihre Erinnerung eingegraben… sah eine klaffende Wunde in der Hülle, sah fünf Gesichter, nun für sie in der Dunkelheit verloren, endlos fallend…
    „Was nun?“ sagte Clewell sanft.
    „Wir machen weiter – weiter, wie geplant.“
    „Du möchtest weitermachen, Kontakt herstellen mit diesen…“ Seine Hand deutete zu der Ruine auf dem Schirm. „Möchtest du sie heimführen, damit sie ganz Morningside ermorden können? Ist es nicht genug…“
    Bertha schüttelte den Kopf und umklammerte die Armlehnen ihres Sessels. „Wir haben keine Wahl! Du weißt das. Wir haben nicht genug Wasserstoffreserven an Bord, um das Schiff wieder auf supraschnelle Geschwindigkeiten zu beschleunigen. Wir müssen unsere Vorräte irgendwo hier auffüllen, sonst kommen wir nie mehr nach Hause.“ Eine Vision der Heimat quälte sie: Feuer vor dunklem Hintergrund, es war die Nacht vor ihrer Abreise – das tränenfeuchte Gesicht eines kleinen Jungen, das in ihrem Kleid vergraben war.
Mama… ich träumte, man muß sterben, um zum Himmel zu gelangen.
Als sie sich an ihr aus einem Alptraum erwachendes Kind erinnerte, füllten ihre eigenen Augen sich mit Tränen und der endlosen Dunkelheit. Sie biß sich auf die Lippen.
Verdammt, ich bin kein Kind, ich bin fünfunddreißig Jahre alt!
    „Pappy, fang nicht an, dich wie ein alter Mann zubenehmen.“ Stirnrunzelnd sah sie, wie der Ärger zehn Jahre aus seinem Gesicht strich. „Wir haben keine andere Möglichkeit mehr. Wir müssen weitermachen.“
Wir müssen es ihnen zurückzahlen,
ihre Augen blitzten, hart und kalt, wie Saphire. Vorsichtig hob sie Rusty weg und sah, wie die Katze sinnlos mit den Pfoten ruderte, als sie in den Raum driftete. „Wir haben noch ausreichend Treibstoff, um das ganze System zu umrunden… aber wem können wir vertrauen? Warum haben sie uns angegriffen? Und diese Schiffe, chemische Raketen – die sollten doch eigentlich nur noch im Museum sein! Es ergibt einfach keinen Sinn.“
    „Vielleicht waren sie Piraten oder Abtrünnige. Es gibt keine andere einleuchtende Erklärung.“ Clewells Hand fuchtelte unsicher in der Luft herum.
    „Vielleicht.“ Sie seufzte, da sie wußte, Abtrünnige hatten keinen Platz im Himmel. Da ihr nichts anderes übrigblieb, als daran zu glauben, vergaß sie, daß das wutverzerrte Gesicht auf dem Schirm
sie selbst
Piraten genannt hatte. „Wir werden weiter in den Hauptgürtel vordringen, nach Lansing, wie geplant. Und dann… werden wir einen Weg suchen, um zu bekommen, was wir brauchen.“
     

Toledo-Planetoid (Hoheitsgebiet Demarchy)

+ 30 Kilosekunden
    Wadie Abdhiamal, Verhandlungsführer des Demarchy, wälzte sich unruhig

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