Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
Laut des knirschenden Schnees erstorben war und er wußte, daß er seinen Sohn nicht mehr zurückrufen konnte. Dann tastete seine Hand schnell nach dem Holze. Das war das einzige, das noch zwischen ihm und der Ewigkeit stand, die über ihn hereinbrach. Zu guter Letzt war sein Leben nach einer Handvoll Scheite zu messen. Eines nach dem andern würde schwinden, um das Feuer zu nähren, und Schritt für Schritt würde sich der Tod an ihn heranschleichen. Wenn das letzte Scheit seine Wärme abgegeben hatte, würde die Kälte ihre Kräfte sammeln. Zuerst würden die Füße nachgeben, dann die Hände, und langsam würde die Starre der Glieder den Leib ergreifen. Sein Haupt würde auf die Knie fallen, und er würde Ruhe haben. Das war ganz leicht. Alle Menschen mußten sterben.
    Er beklagte sich nicht. Das war das Gesetz des Lebens, und es war recht so. Dicht an der Erde war er geboren, dicht an der Erde hatte er gelebt, und ihr Gesetz war ihm daher nicht neu. Es war das Gesetz allen Fleisches. Die Natur war nicht gütig gegen das Fleisch. Es galt ihr nichts das greifbare Ding, das man Individuum nannte, ihre Sorge galt nur der Art, der Rasse.
    Dies war die tiefste Abstraktion, der der barbarische Geist des alten Koskoosh fähig war, aber sie hatte er auch mit festem Griff gepackt.
    In allem Lebendigen sah er Beispiele dafür. Das Steigen des Pflanzensaftes, das aufbrechende Grün der Weidenknospe, der Fall des gelben Laubes – schon darin lag alles. Aber eine Aufgabe stellte die Natur dem Individuum. Löste es sie nicht, so starb es. Löste es sie – gleichviel –, es starb dennoch. Der Natur war es gleichgültig: Es waren unzählige, die gehorchten, und nur der Gehorsam, nicht der Gehorchende, lebte und lebte ewig.
    Koskoosh’ Stamm war sehr alt. Die Alten Männer, die er als Knabe gekannt, hatten alte Männer vor ihnen gekannt. So war es also wahr, daß der Stamm lebte, daß er für den Gehorsam all seiner Glieder, deren Gräber unbekannt waren, bis in die vergessene Vorzeit einstand. Sie zählten nicht, sie waren Episoden. Sie waren entschwunden wie die Wolken an einem Sommerhimmel. Auch er war eine Episode und würde verschwinden. Die Natur kümmerte sich nicht darum. Sie stellte dem Leben nur eine Aufgabe, gab nur ein Gesetz. Sich fortzupflanzen war die Aufgabe des Lebens, sein Gesetz der Tod. Eine Jungfrau war schön anzusehen, stark und mit vollen Brüsten, den Frühling in ihrem Gange und Licht in ihren Augen. Aber ihre Aufgabe lag noch vor ihr. Das Licht in ihren Augen wurde noch heller, ihr Schritt schneller, sie war den jungen Männern gegenüber bald keck, bald furchtsam und teilte ihnen ihre eigene Unruhe mit. Und immer schöner und schöner wurde sie, bis irgendein Jäger sie in sein Zelt nahm, wo sie ihm sein Essen bereitete, für ihn arbeitete und die Mutter seiner Kinder wurde. Und wenn ihre Nachkommenschaft kam, verfiel ihre Schönheit. Ihre Glieder wurden langsam und träge, ihre Augen stumpf und trübe, und nur die kleinen Kinder freuten sich noch an der runzligen Wange der alten Squaw am Lagerfeuer. Ihre Aufgabe war gelöst. Nur eine kurze Weile, und bei der ersten Hungersnot, beim ersten langen Marsch wurde sie zurückgelassen, wie es ihm geschehen war, mit einem Häufchen Reisig im Schnee. So war das Gesetz.
    Er legte behutsam ein Scheit in das Feuer und gab sich wieder seinen Betrachtungen hin.
    Überall und mit allen Wesen war es dasselbe. Die Moskitos verschwanden beim ersten Frost. Das kleine Eichhörnchen verkroch sich, um zu sterben. Wenn das Kaninchen alterte, wurde es langsam und dick und konnte seinen Feinden nicht mehr entkommen. Selbst der große Hirsch wurde schwerfällig und blind und zänkisch und konnte zuletzt von einer Handvoll kläffender junger Hunde gefällt werden.
    Er dachte daran, wie er seinen eigenen Vater eines Winters am Oberlaufe des Klondike verlassen hatte, den Winter, bevor der Missionar mit seinen Büchern voll von Geschwätz und seiner Kiste voll von Medizin gekommen war. Oft hatte Koskoosh in der Erinnerung an die Kiste mit der Zunge geschnalzt, aber jetzt wollte ihm das Wasser im Munde nicht mehr zusammenlaufen. Der »Schmerzstiller« war besonders gut gewesen. Aber der Missionar war schließlich doch eine Plage, denn er brachte kein Fleisch ins Lager, aß aber für drei, und die Jäger murrten. Aber an der Wasserscheide von Mayo bekam er Lungenentzündung, und nachher stießen die Hunde die Steine weg und balgten sich um seine Knochen.
    Koskoosh legte noch ein

Weitere Kostenlose Bücher