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In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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hatten ihre gefallenen Brüder nicht angerührt.
    Sie eilten weiter, an zwei Stellen vorbei, wo das Tier wieder haltgemacht hatte, wenn auch nur ganz kurze Zeit. Jetzt war die Fährte rot, und die weiten Schritte des großen Tieres waren kürzer und wankend geworden. Und dann hörten sie das erste Geräusch des Kampfes – nicht den vollen Jagdchor, sondern das kurze, knurrende Kläffen, das von Nahkampf und von im Fleisch vergrabenen Zähnen erzählte.
    Auf dem Bauche kroch Zing-ha gegen den Wind durch den Schnee, und zusammen mit ihm kroch er, Koskoosh, der im nächsten Jahre Häuptling des Stammes werden sollte. Sie schoben sich zusammen unter die Zweige einer jungen Fichte und spähten vorwärts. Es war das Ende, das sie sahen.
    Dies Bild stand, wie alle Jugendeindrücke, noch klar vor ihm, und seine stumpfen Augen sahen das Ende ebenso lebendig, wie es sich in jener fernen Zeit abgespielt hatte. Koskoosh wunderte sich darüber, denn in den folgenden Tagen, als er der Führer von Männern und das Haupt der Berater gewesen, hatte er große Taten ausgeführt und seinen Namen zum Fluch im Munde der Pellys gemacht, gar nicht zu reden von den fremden weißen Männern, die er, Messer gegen Messer, in offenem Kampfe getötet hatte. Lange grübelte er über die Tage seiner Jugend, bis das Feuer zusammensank und der Frost zu schneiden begann.
    Diesmal legte er zwei Scheite auf und maß sein Leben an dem Holz, was noch übrig war. Hätte Sit-cum-to-ha an ihren Großvater gedacht und einen größeren Armvoll gesammelt, hätten seine Stunden länger gedauert. Das wäre leicht gewesen. Aber sie war stets ein gleichgültiges Kind gewesen und hatte nichts für die Alten übrig gehabt seit der Stunde, da der Biber, der Sohn von Zing-has Sohn, sein Auge auf sie geworfen hatte.
    Nun, was tat es? Hatte er nicht in seiner eigenen unbedachtsamen Jugend ebenso gehandelt?
    Eine Weile lauschte er auf die Stille. Vielleicht wurde das Herz seines Sohnes weich, und er kehrte mit den Hunden zurück, um seinen alten Vater mit dem Stamme weiterzubringen bis zu einer Stelle, wo die Rene zahlreich waren und ihnen die Bäuche schwer von Fett hingen. Er strengte sein Ohr an, sein ruheloses Gehirn wurde einen Augenblick still. Nichts regte sich, nichts. Er allein atmete mitten in der großen Stille. Es war sehr einsam.
    Horch, was war das?
    Ein kalter Schauer rann über seinen Körper.
    Das wohlbekannte, langgezogene Geheul durchbrach die Stille, ganz nahe. Und dann sahen seine trüben Augen das Bild des Elches – des alten Elchbullen –, der mit zerrissenen Flanken und blutigen Seiten, wirrer Mähne und das große verzweigte Geweih auf den Boden gesenkt, bis zum letzten kämpfte. Er sah die blitzschnellen grauen Gestalten, die schimmernden Augen, die lechzenden Zungen, die triefenden Fangzähne. Und er sah, wie der unerbittliche Kreis sich schloß, bis er zu einem dunklen Punkte mitten in dem zerstampften Schnee wurde.
    Eine kalte Schnauze stieß gegen seine Wange, und bei dieser Berührung sprang seine Seele wieder in die Gegenwart. Seine Hand fuhr ins Feuer und zog ein brennendes Scheit heraus. Einen Augenblick, von seiner ererbten Furcht vor dem Menschen überwältigt, zog das Tier sich zurück und schickte seinen Brüdern einen langgezogenen Ruf, und die antworteten gierig, bis sich ein Kreis zusammengekrochener, geifernder grauer Tiere um ihn schloß. Der alte Mann spürte, wie dieser Kreis enger wurde. Er schwang wild seinen Brand, und das Schnaufen wurde zum Knurren, aber die keuchenden Bestien wollten nicht weichen. Jetzt schlängelte sich eine, den Hinterleib nachziehend, vorwärts, jetzt eine zweite, jetzt eine dritte, aber keine einzige wich zurück.
    Warum sich ans Leben klammern? fragte er sich und ließ das flammende Scheit in den Schnee fallen. Es zischte und erlosch. Der Kreis knurrte unruhig, blieb aber liegen.
    Wieder sah er den letzten Kampf des alten Elchbullen, und Koskoosh ließ das Haupt müde auf die Knie sinken. Was tat es schließlich? War es nicht das Gesetz des Lebens?
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Nam-Bok, der Lügner
    »Eine Bidarka, nicht wahr? Schau, eine Bidarka, und ein Mann, der sie ungeschickt mit einem Paddel rudert!«
    Die alte Bask-Wah-Wan erhob sich, vor Kraftlosigkeit und Eifer zitternd, auf die Knie und starrte übers Meer hinaus. »Nam-Bok war immer ungeschickt mit dem Ruder«, murmelte sie, sich erinnernd, beschattete die Augen gegen die Sonne und spähte über das silberfunkelnde Wasser. »Nam-Bok war immer ungeschickt. Ich

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