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In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Scheit aufs Feuer und ließ seine Gedanken weiter zurück in die Vergangenheit schweifen. Da war die Zeit der großen Hungersnot, als die Männer sich mit leerem Magen ums Feuer kauerten und düstere Sagen von den alten Zeiten erzählten, als der Yukon drei Winter lang breit und offen dahinströmte, dafür aber in drei Sommern zu Eis erstarrte. Er hatte seine Mutter bei der Hungersnot verloren. Im Sommer hatte die Laichzeit der Lachse einen Fehlschlag ergeben, und der Stamm hatte sich mit der Hoffnung auf den Winter und das Erscheinen der Rene getröstet. Und dann kam der Winter, aber kein Ren. Nie war so etwas geschehen, selbst die ältesten Männer hatten es nicht erlebt. Aber das Ren kam nicht, und es war das siebente Jahr, und die Kaninchen hatten sich nicht vermehrt, und die Hunde bestanden nur noch aus Haut und Knochen. Und in der langen Finsternis weinten und starben Kinder und Frauen und alte Männer, und nicht einer von zehn im Stamme lebte noch, um die Sonne willkommen zu heißen, als sie im Frühling wiederkehrte. Das war eine Hungersnot!
    Aber er hatte auch Zeiten der Fülle erlebt, da das Fleisch verfaulte und die Hunde vor Übersättigung faul und untauglich waren – Zeiten, da sie das Wild laufen ließen, ohne es zu erlegen, da die Frauen fruchtbar und die Zelte überfüllt waren von krabbelnden Knaben und Mädchen.
    Da geschah es, daß die Männer übermütig wurden, alte Streitigkeiten wiederaufnahmen, über die Wasserscheide nach Süden gingen, um die Pellys zu töten, und nach Westen, um an den ausgebrannten Feuern der Tananas zu sitzen.
    Er erinnerte sich, als Knabe in einer guten Zeit gesehen zu haben, wie ein Elch von Wölfen getötet wurde. Zing-ha lag neben ihm im Schnee und sah zu – Zing-ha, der später der listigste Jäger wurde und der schließlich durch eine Wake in den Yukon fiel. Sie fanden ihn einen Monat später. Er war halb herausgekrochen und zu Eis gefroren.
    Aber der Elch. Er war an dem Tage mit Zing-ha fortgegangen, um Jäger zu spielen. Am Bache hatten sie die frische Fährte eines Elchs und gleichzeitig eine Menge Wolfsfährten gefunden.
    »Ein alter Bursche«, sagte Zing-ha, der die Zeichen schneller lesen konnte, »ein alter Bursche, der dem Rudel nicht mehr folgen kann. Die Wölfe haben ihn von seinen Brüdern getrennt, und jetzt lassen sie nicht mehr von ihm ab.«
    Und so war es. Das war nun einmal ihre Art. Tag und Nacht, ohne Rast und Ruhe, knurrten sie dicht hinter ihm, schnappten nach seiner Schnauze, wollten ihn verfolgen bis zum Ende. Wie in Zing-ha und ihm der Blutdurst erwachte! Das Ende mußte sehenswert sein!
    Schnellfüßig folgten sie der Fährte, und selbst er, Koskoosh, dessen Auge nicht so scharf und der ein ungeübter Spürer war, hätte ihr blind folgen können, so breit war sie. Sie waren dicht hinter der Beute her und konnten mit jedem Schritt die furchtbare, soeben geschriebene Tragödie lesen.
    Jetzt kamen sie an eine Stelle, wo der Elch haltgemacht hatte. Auf die dreifache Länge eines erwachsenen Mannes war der Schnee nach allen Richtungen zerstampft und fortgeschleudert. In der Mitte waren die tiefen Eindrücke von den breiten Hufen des Wildes und ringsherum die leichteren Fußspuren der Wölfe. Einige hatten sich, während ihre Brüder die Beute umsprangen, seitwärts niedergelegt und ausgeruht. Die Eindrücke ihrer ausgestreckten Körper waren so deutlich im Schnee, als wären sie soeben erst entstanden. Ein Wolf war bei dem wilden Ansprung von dem wütenden Opfer abgefangen und zu Tode gestampft worden. Eine wenige reingenagte Knochen zeugten davon.
    Wieder hielten sie ihre Schneeschuhe an. Hier hatte das große Tier verzweifelt gekämpft. Zweimal war es, wie der Schnee zeigte, zu Boden gerissen worden, und zweimal hatte es seine Angreifer abgeschüttelt und war wieder auf die Beine gekommen. Seine Aufgabe hatte es längst gelöst, aber dennoch war ihm das Leben noch lieb gewesen. Zing-ha sagte, es wäre etwas Seltenes, daß ein Elch, der einmal niedergerissen war, wieder freikäme, aber hier war es unleugbar geschehen. Der Schamane würde Zeichen und Wunder darin gesehen haben, wenn sie es ihm erzählt hätten.
    Und nun hatten sie die Stelle erreicht, wo der Elch versucht hatte, den Hang hinaufzusteigen und den Wald zu gewinnen. Aber seine Feinde hatten ihn von hinten angegriffen, so daß er sich gebäumt, sich überschlagen und zwei von ihnen zermalmt und tief in den Schnee gepreßt hatte. Es war klar, daß das Ende bevorstand, denn die Wölfe

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