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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Öffentlichkeit ein betagter Herr, der alleinige sichtbare Bewohner, und im Hintergrunde der Lagune trug ein Kanoe ein buntgestreiftes lateinisches Segel, der einzige Gegenstand, der Leben und Bewegung zeigte.
    Der Kanal wird im Süden durch einen Landungssteg oder Deich mit einer Brustwehr begrenzt. An seinem fernsten Teile hört die Brustwehr auf, und der Quai erweitert sich zu einer langgestreckten Halbinsel, die weit in die Lagune hinausragt, und die das Sanssouci oder die Sommerresidenz des Königs ist. In ihrer Mitte steht ein offenes Haus oder Dauerzelt – hier Maniapa oder, nach der neuerlichen Aussprache, Maniap' genannt – das nach mäßiger Schätzung vierzig mal sechzig Fuß mißt. Das hohe, eiserne Dach, das indes soweit überhängt, daß selbst eine Frau sich beim Eintritt bücken muß, wird außen durch Korallenpfeiler, innen durch ein Holzgerüst getragen. Der Boden ist aus geschotterter Koralle und wird durch die Stützen des Gerüsts in verschiedene Gänge geteilt. Das Haus selbst liegt weit genug vom Ufer entfernt, um die Brise aufzufangen, die es ungestört durchweht und die Mückenschwärme vertreibt, und unter seinem niedrigen Giebel sieht man die Sonne schimmern sowie den Tanz der Wellen auf der Lagune.
    Seit geraumer Zeit waren wir jetzt niemandem außer den Schläfern begegnet, als wir daher den Landungssteg hinunter gingen und in diesen hellen Schuppen hineinstolperten, waren wir überrascht, ihn von einer ganzen Schar munterer Leute, etwa zwanzig an der Zahl, dem Hof und der Wache von Butaritari, bevölkert zu finden. Die Hofdamen waren damit beschäftigt, Matten zu flechten; die Wache gähnte und rekelte sich. Ein halb Dutzend Gewehre lagen auf den Steinen umher, und eine Axt lehnte gegen einen der Pfosten; das waren die Waffen der schläfrigen Musketiere. Am hinteren Ende der Maniap stand ein kleines verschlossenes Holzhaus mit ein paar billigen Gardinen, das sich bei näherer Untersuchung als eine Privatwohnung nach europäischem Muster entpuppte. Vor dem Hause auf einigen Matten hingegossen lag Tabureimoa, der König; hinter ihm an der Hauswand vertraten zwei gekreuzte Gewehre die Stelle von Liktorenbeilen. Der König trug Pyjamas, die seinen ungeheuren Körper recht jämmerlich kleideten; er hatte eine gewalttätige, krumme Nase, sein Körper quoll über von aufgedunsenem Fett, sein Blick war unsicher und trübe. Er schien zugleich von Schläfrigkeit überwältigt wie von Furcht gepackt: ein Pfefferrajah, der, von Opium betäubt, ständig auf den Anmarsch einer holländischen Armee lauert, hätte einen ähnlichen Eindruck gemacht. Wir sollten uns noch besser kennenlernen, doch behielt ich bis zuletzt diesen Eindruck bei: stets war er schläfrig und trotzdem auf dem Qui vive, und, ob aus Reue oder Furcht, weiß ich nicht, aber sicher ist, daß er seine Zuflucht zu dem übermäßigen Genuß irgendeiner Droge nahm.Der Rajah zeigte kein besonderes Interesse für unser Erscheinen, doch die Königin, die in ein langes, purpurrotes Gewand gekleidet, neben ihm saß, war entgegenkommender als er; außerdem fand sich noch ein Dolmetscher, der nur allzu bereitwillig seine Dienste anbot, so das sein Redefluß uns endlich wieder zum gehen zwang. Gleich bei unserem Eintritt begrüßte er uns mit mehr Würde als Wahrhaftigkeit mit den Worten: »Das hier ist der ehrenwerte König, und ich bin sein Dolmetscher.« Tatsächlich bekleidete er überhaupt keine Stelle bei Hofe, verstand nur sehr wenig von der Inselsprache und befand sich ebenso wie wir lediglich auf einer Höflichkeitsvisite. Er hieß Mr. Williams und war ein Neger aus den Vereinigten Staaten, ein entlaufener Schiffskoch und Barkeeper in »The Land we Live in« Gasthof in Butaritari. Nie habe ich einen Menschen kennengelernt, der so viel Worte zur Verfügung hatte und so wenig die Wahrheit sprach. Weder die Ungnade des Monarchen noch meine eigenen Versuche, ihn mir vom Leibe zu halten, vermochten ihn auch nur im geringsten zu dämpfen, und als unsere Audienz ein Ende nahm, redete der Nigger noch immer. Die Stadt schlief oder hatte höchstens eben erst angefangen, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben, immer noch lag sie in Glut und Schweigen. Um so lebendiger war der Eindruck, den wir von dem Haus auf der Insel davontrugen, von jenem mikronesichen Saul, der inmitten seiner Garde wachte, sowie von seinem unmelodischen David, Mr. Williams, der die schlaftrunkene Zeit zu Tode schwatzte.
Zweites Kapitel. Die vier Brüder
    Das Königreich

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