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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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zurück; das Geld für die Versicherung wurde unterschlagen, und als gar die »Coronet« verloren ging, entdeckte er zu seiner Überraschung, daß mit ihr alles flötengegangen war. Da streckte er die Waffen, gestand sich, daß er ebensogut mit den vier Winden kämpfen konnte und hielt, erfahrenes Schaf, das er war, sein Vließ zum scheeren hin. Er ist der letzte Mensch der Welt, sich über das Unabänderliche zu ärgern, nimmt es vielmehr mit zynischer Ruhe auf undverlangt von denen, die mit ihm handeln, nicht mehr als ein gewisses anständiges Maß im Betrügen; dabei macht er so gute Geschäfte, als er nur kann und vermerkt, wenn er sich für mehr als gewöhnlich beschwindelt hält, des Betreffenden Namen in seinem Gedächtnis. Einmal zählte er mir eine Liste der Kapitäne und Superkargos auf, mit denen er zu tun gehabt hatte, wobei er sie in drei Kategorien einteilte: »El wenig swindelen – el viel swindelen – el swindelen zu viel.« Gegenüber den ersten beiden Klassen bezeugte er die großzügigste Toleranz, mitunter, aber nicht immer, auch gegenüber der dritten Ich war dabei, wie er einmal einen gewissen Händler kurz abfertigte und ich hatte dann das Glück (da ich seit der Kofferaffäre ziemlichen Einfluß auf ihn befaß), die beiden wieder zu versöhnen. Ja, bereits am Tage unserer Ankunft drohte es zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Kapitän Reid zu kommen, deren Ursache es sich vielleicht lohnt, zu erzählen. Unter den eigens für Tembinok' importierten Waren befindet sieh auch ein als Cognak von Henessy bekanntes (und etikettiertes) Getränk, das in seinem ganzen Leben weder Cognak, geschweige denn Henessy gewesen ist. Es hat ungefähr die Farbe von Sherry, ist aber kein Sherry, schmeckt wie Kirsch und ist doch auch kein Kirsch. Der König aber hat sich an diese erstaunliche Marke gewöhnt und bildet sich auf seinen Geschmack obendrein etwas ein, so daß jeder Ersatz eine doppelte Beleidigung bedeutet, da er dahinter nicht nur einen Betrug wittert, sondern auch einen Zweifel in bezug auf die Zuverlässigkeit seines Gaumens. Eine ähnliche Schwäche habe ich übrigensan allen Kennern beobachtet. Es stellte sich also heraus, daß die letzte von der »Äquator« verkaufte Kiste ein anderes und, wie ich sogar optimistischerweise annehmen möchte, besseres Gebräu enthalten hatte; die Unterredung begann daher unter für Kapitän Reid recht schwarzen Auspizien. Aber Tembinok' ist ein duldsamer Mann. Man erinnerte ihn daran, daß Irren menschlich sei, ja, daß er selbst nicht unfehlbar wäre, und er akzeptierte das Prinzip, daß ein ehrlich eingestandener Fehler Nachsicht erfordere. Die Affäre schloß mit folgendem Vorschlage: »Wenna iß maken Fehla, du mih sagen. Wenn du maken Fehla, iß dih sagen. Vieh bessa so.«
    Nach einem Diner und Souper in der Kabine, sowie nach einem oder zwei Gläschen »Hennetti« – dem echten diesmal, mit der richtigen Blume – und einem fünfstündigen Aufenthalt vor dem Ladentisch, fuhr seine Majestät wieder nach Hause. Nach dreimaligem Kreuzen hielt das Boot vor dem Palaste; die Frauen wurden auf den Rücken der Vasallen an Land gebracht; Tembinok' betrat eine mit einer Reeling versehene Plattform, ähnlich einer Dampfertreppe, und wurde in Schulterhöhe über die Sandbänke an den Strand und über eine schräge, mit Kieseln bepflasterte Ebene zu der glühendheißen Terrasse getragen, auf der er wohnt.
Zweites Kapitel. Der König von Apemama: die Gründung von Äquatorstadt
    Dem ersten Zusammentreffen mit Tembinok' hatte unsere ganze Gesellschaft mit Unruhe, ja fast mit Besorgnis entgegengesehen. Wir wollten eine Gunst von ihm erbitten; es galt also, ihm in der richtigen, höfischen Haltung eines Bittstellers zu nahen und ihm zu gefallen – oder wir mußten den Hauptzweck unserer Reise ausgeben. Unser Wunsch war es, auf Apemama landen und uns niederlassen zu dürfen, um den merkwürdigen Charakter des Mannes und die seltsamen (und ziemlich unberührten) Sitten der Insel aus der Nähe zu studieren. Auf allen anderen Südseeinseln darf ein Weißer mit seiner Kiste landen und bis an sein Lebensende wohnen bleiben, falls er dazu Lust hat und das nötige Geld oder ein Geschäft besitzt; ich wüßte nicht, was ihn sonst hindern könnte. Apemama dagegen ist ein unzugängliches Eiland, das mit verschlossenen Toren mitten im Meere daliegt, und der König selbst steht wie ein wachsamer Beamter an der Sperre, um unliebsame Gäste zu mustern und abzuweisen. Daher auch

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