In der Südsee. Zweiter Band
der Reiz, den unser Unternehmen für uns besaß: nicht nur weil es mit Schwierigkeiten verbunden war, sondern weil diese gesellschaftliche Quarantäne, die an sich schon eine Merkwürdigkeit bedeutete, andere Merkwürdigkeiten am Leben erhalten hatte.
Tembinok' ist wie die meisten Tyrannen konservativ und begrüßt, auch wie die meisten Tyrannen, jede neue Idee mit Begeisterung, vorausgesetzt, daß sie nicht auf dem Gebiete der Politik liegt und auf praktische Reformen abzielt. Als die Missionare erschienen und behaupteten, sie hätten die Wahrheit entdeckt, empfing er sie mit Freuden, wohnte dem Gottesdienste bei, lernte öffentlich beten und ließ sieh als Lernender zu ihren Füßen nieder. So hat er durch Ausnutzung der sich ihm bietenden Gelegenheiten auch Lesen, Schreiben, Rechnen und sein sonderbares, höchst persönliches Englisch gelernt, das so sehr von dem üblichen »Beach de Mar« abweicht und so viel unklarer, ausdrucksvoller und knapper ist. Nachdem er also seine Ausbildung vollendet hatte, begann er die Ankömmlinge kritisch zu betrachten. Wie Nakaeia von Makin ist er ein Freund des Schweigens; gleich einem Riesenohr schwebt er brütend über der Insel, unterhält Spione, die ihm täglich Bericht erstatten, und zieht Untertanen, die singen, denen, die reden, vor. Unter diesen Umständen war es gar nicht zu vermeiden, daß er früher oder später an dem Gottesdienste, vor allem an der Predigt, Anstoß nahm. »Hie mein Insel, hie splechen ie«, bemerkte er eines Tages zu mir. »Mein Häuplinge, die niß splechen – die tun, was ie sagen.« Er richtete seinen Blick auf den Missionar, und was mußte er entdecken? »Ie sehen Kanake splechen in glosse Haus«, meinte er mit einem starken Unterton von Sarkasmus. Trotzdem duldete er dies aufrührerische Schauspiel und hätte es vielleicht bis auf den heutigen Tag geduldet, wenn nichtein neuer Streitpunkt entstanden wäre. Um seine eigenen Worte zu gebrauchen – er sah noch einmal hin, und der Kanake begnügte sich nicht nur mit Reden, nein, schlimmer noch, er baute sich ein Koprahaus. Das berührte aber die ureigensten Interessen des Königs: sein Einkommen und seine Vorrechte waren bedroht. Außerdem war er der Ansicht, die viele mit ihm teilen, daß Handel treiben mit dem Berufe eines Missionars unvereinbar sei. »Wenn Mitonar denken ›guta Mann‹: dann seh gut. Wenn eh denken ›Kopla‹: niß gut. Iß ihn ssicken foht Ssiff.« Das war seine kurze Fassung der Geschichte der Mission auf Apemama. Dergleichen Deportationen kommen nicht selten vor. »Iß ihn ssicken foht Ssiff«, so lautet der Epitaph vieler Leute, und seine Majestät bezahlt dem Verbannten das Reisegeld bis zur nächsten Station. So mietete er verschiedene Male, da er eine leidenschaftliche Vorliebe für europäisches Essen hatte, für seinen Haushalt einen weißen Koch, nur um ihn regelmäßig wieder deportieren zu lassen. Die Köche schwören, daß sie niemals ihren Lohn bekommen hätten, er dagegen behauptet, sie hätten ihn unerträglich beschwindelt – beide Parteien werden recht haben. Bedeutsamer ist der Fall eines Agenten, der (wie man mir erzählte) von einer Handelsfirma eigens hinausgeschickt wurde, um sich bei dem König einzuschmeicheln, wenn möglich Premierminister zu werden und den Koprahandel zugunsten seiner Arbeitgeber zu betreiben. Er erhielt in der Tat die Erlaubnis zu landen, wandte alle seine Künste an, wurde geduldig von Tembinok' angehört, glaubte sich schon dicht am Ziel und – siehe da! Alsdas nächste Schiff in Apemama anlief, wurde der künftige Premierminister in ein Boot geworfen, an Bord expediert, erhielt feine Fahrkarte in die Hand gedrückt – und Adieu! Doch es ist überflüssig, weitere Beispiele anzuführen; man koste den Pudding, wenn man seine Güte kennen lernen will. Als wir nach Apemama kamen, war von den vielen Weißen, die versucht hatten, sich auf jenem reichen Markte eine Position zu schaffen, ein einziger geblieben – ein schweigsamer, nüchterner, einsamer, geiziger Menschenfeind, von dem der König bemerkte: »Ie glauben, eh gut; eh niß splechen.«
Von Anfang an machte man mich darauf aufmerksam, daß uns unser Vorhaben vielleicht nicht glücken würde; dennoch ließ ich mir die Wirklichkeit nicht träumen. Tatsächlich hielt man uns vierundzwanzig Stunden in der Schwebe und hätte uns zum Schluß um ein Haar abgewiesen. Kapitän Reid hatte seinen Stolz darein gesetzt, uns zu helfen; kaum war daher der König an Bord gekommen und
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