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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Windwechsel änderte sich indes auch ihr willkürliches Ziel, und wie der Schiffer in dem Märchen von den Kalendern erbleichten sie jetzt und schlugen sich gegen die Brust, als die »schwarzen Berge« am Horizont auftauchten. Ihr Lager, das sie sieh mittschiffs an Deck aufgeschlagen hatten, widerhallte von ihren Klagen. Man würde sie auf Arbeit schicken, man würde sie zwingen, Sklaven zu werden, bis an ihr Lebensende würden sie sich in der Höhle des Löwen von Apemama abrackern und plagen müssen. Mit derartigem Gerede hatten sie ihren Kindern schließlich einen solchen Schrecken eingejagt, daß das eine von ihnen (ein großer, strammer Junge) schreiend mit Gewalt vom Schiff gebracht werden mußte. Dabei waren ihre Befürchtungen vollkommen grundlos. Ich zweifle keinen Augenblick, daß sie arbeiten mußten, aber ich kann dafür einstehen, daß sie gut, ja glänzend behandelt wurden. Denn etwa ein Jahr später traf ich diese heimatlosen Wanderer zufällig an Bord der »Janet Nicoll« wieder.Ihre Überfahrt war ihnen von Tembinok bezahlt worden; sie, die ohne einen Pfennig in der Tasche die »Äquator« verlassen hatten, erschienen in neuen Kleidern, mit Matten und Geschenken beladen auf der »Janet« und brachten ein ganzes Warenlager von Lebensmitteln mit, von denen sie auf der Überfahrt wie die Könige lebten. Endlich sah ich sie auch in ihrer Heimat landen, und ich muß sagen, ihre Trauer, Apemama den Rücken zu kehren, war größer als ihre Wiedersehensfreude.
    Wir fuhren am Sonntag, den 1. September, von Norden her in einem Zickzackkurs zwischen flachen Sandbänken in den Hafen ein. Es war ein Tag glühendheißen Äquatorsonnenscheins, aber die Brise war stark und kühl, und der Maat, der den Schoner vom Ausguck her hineingelotst hatte, schauderte, als er wieder auf das Deck sprang. Die Lagune kräuselte sich in abertausend regenbogenfarbigen kleinen Wellen; das ständige Donnern der Brandung klang von der offenen See zu dem Ankerplatz hinüber, und die langgestreckte, hohle Sichel des Palmwaldes wiegte sich schimmernd im Winde. Gegenüber der Stelle, wo wir vor Anker lagen, war der Strand durch eine sieben bis acht Fuß hohe Terrasse aus weißer Koralle gekrönt, die ihrerseits wieder überragt wurde von den verstreuten und nicht zueinander passenden Gebäuden des königlichen Palastes. Nach Süden zu schloß sich das Dorf an, ein Komplex hochstrebiger Maniapen, und Dorf wie Palast schienen ausgestorben.
    Kaum jedoch hatten wir den Anker ausgeworfen, als wir aus der Ferne eilfertig und geschäftig allerlei Gestaltenam Strande auftauchen sahen; ein Boot wurde flottgemacht, und die Besatzung ruderte zu uns heraus, um das königliche Fallreep an Bord zu bringen. Tembinok' hatte einst einen Unfall und scheut sich jetzt, seine königliche Person dem morschen Gerät der Südseehandelsschiffe anzuvertrauen. Er hat daher eine Art hölzernes Gerüst konstruieren lassen, das bis zur Ausfahrt des Fahrzeuges an den Schiffsbug angeschnallt bleibt. Nachdem die Mannschaft diesen Apparat befestigt hatte, kehrte sie an Land zurück. An Bord kommen durfte sie nicht; ebenso war es uns verboten, zu landen; zum mindesten hätten wir uns dadurch einem starken Risiko ausgesetzt, denn der König pflegt persönlich die Erlaubnis dazu zu erteilen. Eine Pause folgte, während der das Abendessen zu Ehrendes großen Mannes verschoben wurde. Da das Vorspiel mit der Leiter uns eine Ahnung sowohl von seinem gewichtigen Körpers wie von seinem verständigen, erfinderischen Geistes gegeben hatte, war unsere Neugier in hohem Maße erregt; so beobachteten wir denn mit einem Gefühl, das an Aufregung grenzte, wie Strand und Terrasse sich plötzlich mit Gefolgsmännern anfüllten, wie der König mit seiner Begleitung ein Fahrzeug bestieg, und wie das Boot (eine Kriegsschiffsjolle) direkt vor dem Winde auf uns zuschoß. Geschickt legte der königliche Bootsführer neben unserem Schiffe an, bestieg vorsichtig mißtrauisch die Leiter und betrat schwerfällig das Deck.
    Es ist nicht lange her, da schwamm der König in einer einzigen Fettmasse, die jede Linie seines Gesichtes und seiner Gestalt verwischte und ihn sich selbst zur Lastmachte. Kapitäne, die bei ihm zu Besuch waren, rieten ihm indes, spazieren zu gehen, und er wandte das Heilmittel, obwohl es seine ganzen Lebensgewohnheiten und die Traditionen, die sich an seinen Rang knüpften, durchbrach, mit Erfolg an. Seine Korpulenz ist jetzt erträglich; man wurde ihn eher robust als dick

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