In der Südsee
diese Lieder keineswegs leichter Singsang, die Worte sind uralt, außer Gebrauch und heilig, wenige verstehen sie, vielleicht niemand vollkommen, aber es wurde allgemein angenommen, daß die Zapfer »beten, um guten Wein zu bekommen, und von ihren früheren Kriegen singen«. Das Gebet wird denn auch erhört, und wenn die Schale mit dem schäumenden Naß zu unserer Tür gebracht wird, ist es ein Getränk, an dem man sein Wohlgefallen haben kann. Den ganzen Vormittag kann man immer wieder kosten, es gärt, wird immer schärfer und wird zu einem neuen Getränk, das nicht weniger köstlich ist, aber im Laufe des Tages schreitet die Gärung rasch fort, und der Trank wird herbe; nach zwölf Stunden ist es Brothefe, nach zwei Tagen ein teuflisches Rauschgift, die Ursache von Verbrechen.
Die Menschen haben bemerkenswert arabische Gesichtszüge, tragen oft Bärte und Schnurrbärte, sind oft buntfarbig gekleidet, manche haben Arm- und Fußspangen, sie schreiten alle einher wie spanische Edelleute und erwidern den Gruß mit hochmütiger Miene. Die Dandies beiderlei Geschlechts tragen das Haar turbanartig zu krausem Wust gedreht, und ein spitzer Stabwird wie die Dolche der Japaner als Kamm benutzt und zierlich zwischen die Locken gesteckt. Die Frauen schauen unter ihrem Haarbüschel entzückend aus. Die Rasse kann sich mit den Tahitiern an Weibesschönheit nicht messen; ich bezweifle, ob der Durchschnitt groß ist, aber manche der niedlichsten Mädchen und eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen habe, waren Gilbertinerinnen. Butaritari ist als Handelszentrum der Gruppe europäisiert, der farbige Überwurf oder das weiße Hemdgewand werden allgemein getragen, das letztere abends; der Exporthut, beladen mit Blumen, Früchten und Bändern, ist bedauerlicherweise nicht unbekannt und die charakteristische Frauenkleidung der Gilbertinseln nicht mehr allgemein im Gebrauch. Das Ridi ist sein Name, ein entzückendes Schürzchen oder Gürtelchen aus den geräucherten Fasern der Kokospalmblätter, nicht unähnlich geteerten Stricken; das untere Ende erreicht knapp die Mitte des Schenkels, das obere ist so niedrig über die Hüfte gelegt, daß es kaum zu haften scheint. Ein Niesen, denkt man, müßte genügen, um die Dame ganz zu enthüllen. »Das gefährliche, haarbreite Ridi« war unsere Bezeichnung dafür, und in dem Streit über die Frauenkleidung gefällt es unglücklicherweise niemand: die Prüden verdammen es als ungenügend, die Leichtsinnigeren finden es nicht liebenswert genug. Aber wenn eine zierliche Gilbertinerin am vorteilhaftesten aussehen soll, muß sie dies »Gewand« tragen. Mit ihm allein und sonst nur nackt bewegt sie sich in unvergleichlicher Ungezwungenheit, Grazie und Lebendigkeit, die die Dichtung Mikronesiens rühmt. Steckt man sie in ein langes Gewand, so flieht die Charme, und sie rudert einher wie eine Engländerin.Zur Zeit der Abenddämmerung waren die Vorübergehenden immer prächtiger gekleidet. Die Männer strömten herbei in allen Farben des Regenbogens – oder wenigstens der öffentlichen Läden – und Männer und Frauen schmückten sich mit wohlriechenden frischen Blumen. Eine kleine weiße Blüte wird bevorzugt, bald wie zierliche Sterne einzeln in das Frauenhaar gesät, bald zu dichtem Kranz geflochten. Bei Hereinbruch der Nacht wurde die Menge auf den Straßen manchmal dichter, und das Stapfen und Schurren nackter Füße nahm kein Ende, die Spaziergänger waren meistens ernst, das Stillschweigen wurde nur manchmal unterbrochen von kichernden und hin und her huschenden jungen Mädchen, selbst die Kinder waren still. Um neun schlug von der Kathedrale die Schlafglocke, und das Leben in der Stadt hatte ein Ende. Um vier am nächsten Morgen wird das Signal in der Dunkelheit wiederholt, und die unschuldigen Gefangenen werden in Freiheit gesetzt, aber sieben Stunden müssen alle im Hause weilen – ich wollte gerade sagen: hinter verschlossenen Türen, von einer Gegend, wo Türen und selbst Wände Ausnahmen sind –, sie müssen also wenigstens unter ihren luftigen Dächern verweilen oder sich unter zeltförmigen Moskitonetzen zusammenrollen. Wenn eine wichtige Botschaft übermittelt oder jemand auf die Reise geschickt werden soll, so muß der Bote sich der Polizei deutlich mit einem großen Feuerbrand von Kokosnußfasern ankündigen, das wie ein lebendiges Freudenfeuer die Häuser entlang flackert. Die Polizei selbst wandert im Dunkeln und späht in der Nacht aus nach Übeltätern. Ich haßte ihre
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