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In die Wildnis

In die Wildnis

Titel: In die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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eine enge Schlucht, durch die der weiß brodelnde Teklanika geschossen kommt. Die Aussicht, diese milchfarbene Wasserflut überqueren zu müssen, schreckt die meisten Leute davon ab, weiterzuwandern.
    Bei Thompson, Samel und Swanson handelt es sich jedoch um drei halsstarrige Alaskaner, die eine besondere Vorliebe dafür haben, mit ihren Autos genau die Stellen zu durchqueren, die als unpassierbar gelten. Kaum waren sie am Teklanika angekommen, entdeckten sie bereits eine breite, gewundene Furt, an der die Wasserflut sich in kleine, relativ seichte Flüßchen teilt. Und schon lenkten sie ihre Autos geradewegs in die Fluten.
    »Ich bin vorangefahren«, sagt Thompson. »Der Fluß war an der Stelle an die fünfundzwanzig Meter breit, und die Strömung war richtig wild. Ich fahr 'nen getunten '82er Dodge Pick - up. Die Reifen sind fast 'nen Meter hoch, und das Wasser ist immer noch leicht bis an die Motorhaube gekommen. Dann kam der Moment, als ich gedacht hab, ich schaff's nicht. Gordon hat an seiner Kiste vorne 'ne Viertausend - Kilo - Hebe. Hab ihn gleich hinter mir fahren lassen, falls was schiefgeht und ich absaufe.«
    Die drei gelangten ohne Zwischenfall ans andere Ufer. Zwei der Pick - ups hatten Geländefahrzeuge geladen: ein dreirädriges und ein vierrädriges. Sie fuhren ihre bulligen Allradbrummer auf eine Kiesbank, holten die Geländefahrzeuge von der Ladefläche und setzten die Fahrt mit den kleineren, wendigeren Maschinen in Richtung Bus fort.
    Ein paar hundert Meter weiter versackte der Trail in einer Reihe brusttiefer Biberteiche. Die drei Alaskaner fackelten jedoch nicht lange und steckten ein paar Stangen Dynamit in die lästigen Holz und Reisigdämme, sprengten sie in die Luft und legten die Teiche trocken. Sie fuhren weiter, erklommen ein steiniges Flußbett und manövrierten ihre Maschinen durch dichtes Erlengebüsch. Am späten Nachmittag erreichten sie endlich den Bus. Bei ihrer Ankunft stießen sie »auf 'nen Jungen und 'n Mädchen aus Anchorage. Die beiden haben zwanzig Meter vom Bus weg gestanden und sahen so aus, als hätten sie 'n Gespenst gesehen.«
    Das junge Paar hatte den Bus zwar nicht betreten, war aber nahe genug dran herangegangen, um »einen echt üblen Geruch« zu bemerken. Aus dem Heck des Busses, an einen Erlenast geknotet, hing ein roter, gestrickter Wadenwärmer von der Art, wie Tänzer ihn tragen. Das Ganze wirkte wie eine notdürftig improvisierte Signalflagge. An der Tür, die nur angelehnt war, klebte ein Zettel mit einer seltsamen, beunruhigenden Nachricht. Auf einer aus einer Gogol - Erzählung gerissenen Buchseite stand dort in sauberer Blockschrift:
    S.O.S. ICH BRAUCHE IHRE HILFE: ICH BIN SCHWER VER - LETZT, DEM TODE NAH. ICH BIN ZU SCHWACH, UM HIER WEG - ZUKOMMEN. ICH BIN GANZ ALLEIN. DIES IST KEIN SCHERZ. IN GOTTES NAMEN, BITTE GEHEN SIE NICHT WEG, BITTE RET - TEN SIE MICH. ICH BIN NICHT WEIT, GEHE JETZT BEEREN SAMMELN. BIN GEGEN ABEND WIEDER DA.
    DANKE,
CHRIS McCANDLESS.
AUGUST ?
    Das Paar aus Anchorage war von dem Inhalt der Nachricht und dem penetranten Fäulnisgeruch viel zu verängstigt, um in den Bus zu steigen und nachzusehen. Und so war es Samel, der sich, auf das Schlimmste gefaßt, zu einem der Fenster schlich und hineinspähte. Sein Blick fiel auf eine Remington und eine Plastikdose mit Patronen, dann auf acht oder neun Taschenbücher, eine zerrissene Jeans, Kochgeschirr und schließlich auf einen hochwertigen Rucksack. Auf einer aus billigem Holz zusammengezimmerten Koje im hinteren Teil entdeckte er einen blauen Schlafsack, in dem scheinbar irgend etwas oder irgend jemand lag, obwohl, sagt Samel, »man es nicht genau sehen konnte«.
    »Ich hab mich auf einen Baumstumpf gestellt«, fährt Samel fort, »durch eines der Rückfenster gelangt und den Schlafsack ein bißchen geschüttelt. Irgendwas war drin, soviel war sicher, aber es war nichts Schweres. Erst als ich rumgegangen bin zur anderen Seite und den Kopf gesehen hab, der ein Stück rausgeguckt hat, da wußte ich's.« Chris McCandless war bereits zweieinhalb Wochen tot.
    Samel, kein Mann großer Umstände, befand, daß die Leiche sofort weggeschafft werden müsse. Aber weder in seinem noch in Thompsons kleinem Geländeflitzer war genügend Platz, und auch das Geländefahrzeug des jungen Paares war zu eng. Bald darauf fand sich eine sechste Person am Schauplatz ein, Butch Killian, ein Jäger aus Healy. Killian fuhr einen Argo - ein schweres, achträdriges Amphibienfahrzeug - , und Samel schlug vor, daß

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