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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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warmherzigen braunen Augen, aus denen ständig Tränen kullerten, waren tiefe Schatten zu sehen. Nach und nach hatte Gabi in den letzten Monaten ihre Arbeitsstunden in der Praxis für Physiotherapie reduziert, um mit mir zusammen den Haushalt zu schmeißen und sich um Mam zu kümmern, und als das nicht länger ging und Mam ins Krankenhaus musste, war Gabi trotzdem immer irgendwie da gewesen. Bis Ted kam, hatte sie sogar bei uns in der Wohnung geschlafen, damit ich nachts nicht allein war. Ohne sie wären wir wesentlich schlechter dran gewesen, Mam und ich. Und obwohl ich vernünftig sein und einsehen wollte, dass Gabi ein Recht darauf hatte, wieder ihr eigenes Leben zu führen, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass Mam mich bei ihr hätte wohnen lassen, anstatt mich zu Ted zu schicken. Und schreib mal eine Karte – mit der Golden Gate Bridge drauf! Oder einem Cable Car!
    Bis zur Passkontrolle hatte ich mich noch an den dünnen Strohhalm geklammert, mit meinen Papieren könnte etwas nicht in Ordnung sein, mir würde die Einreise verweigert und ich müsste auf der Stelle den nächsten Flug zurück nehmen. Schließlich war ich zwar die Tochter eines Amerikaners, aber in Deutschland geboren, und Mam und Ted waren nie verheiratet gewesen. Mein neu ausgestellter amerikanischer Pass, für den Gabi mit mir und einer Mappe voller wichtig aussehender Dokumente ins Konsulat nach Frankfurt gefahren war, hielt jedoch der Prüfung durch die Beamtin in schwarzer Uniform und ihrem Scanner stand, und mit einem Nicken und einem angedeuteten Lächeln gab sie mir zu verstehen, ich solle weitergehen. Welcome to America.
    Grell stach mir das Sonnenlicht in die Augen, als wir ins Freie traten, und ich kniff die Lider zusammen. Klasse, meine Sonnenbrille war natürlich irgendwo ganz unten in meinem Koffer; keiner hatte mir gesagt, dass ich die hier Ende Dezember brauchen würde. Und warm war es, zumindest zu warm für meine dicke Jacke und die gefütterten Stiefel. Missmutig blinzelte ich zum Himmel hinauf, der hinter leichten Dunstschlieren knallblau leuchtete. Auf der rechten Seite erstreckte sich ein lang gezogener Bau mit glatter, von Querschlitzen durchzogener Fassade, vor dem sich auf einer hochgebockten Schiene eine silberglänzende Bahn heranschob, die in ihrem futuristischen Design genau zu dem Flughafengebäude aus Stahl und Glas passte. Und jenseits der Betonbrüstung, die die Zufahrtsstraße vor mir einfasste, ließ mich ein kräftiger Windstoß einen Blick durch dichte Sträucher auf ein Labyrinth aus Asphalt erhaschen, das sich dahinter ausdehnte; mehrspurige Straßen, die sich in Kurven, Schleifen und Bögen über- und untereinander hindurchwanden. Als hätte hier jemand mit großer Begeisterung seine ganz persönliche Vorstellung von einer Stadt der Zukunft verwirklicht, vermutlich ein Trekkie mit Leib und Seele, der Mister Spock als sein Idol verehrte.
    Ich umklammerte den Schultergurt meines Rucksacks fester. Irgendwie schien ich die Einzige zu sein, die wirklich kapierte, was das hier für mich bedeutete. Ich und vielleicht noch Julia. Scheitel an Scheitel und mit angezogenen Knien hatten wir die letzten Nachmittage auf ihrem Bett verbracht, weil ich es in der so gut wie leer geräumten Wohnung nicht mehr aushielt, und hatten in einvernehmlichem Schweigen an die Decke gestarrt. Als könnten wir dadurch die Uhren anhalten und das Unvermeidliche vielleicht doch noch abwenden.
    Nach dem ersten Schock, als ich geknickt meine Neuigkeit verkündete, hatte es bei den anderen einen Schalter umgelegt. Heyyy, Frisco – Hammer! Amiland, wie geil! Mensch, hast du ein Schwein! , hatten sie durcheinandergerufen. Sandra hatte himmelschreiend schief »Ca-li-for-nia drea-min’ on such a winter’s daayy« angestimmt, und Hannes, dem sicher irgendwann noch Schwimmhäute wachsen würden, weil er jeden Sommer mehr Zeit im See als sonst wo verbrachte, hatte eine Hand mit abgespreiztem Daumen und kleinem Finger locker geschüttelt und grinsend »Hang Loose!« gejohlt. Mir entfuhr ein leises Schnauben, als ich daran dachte. Klar fanden das alle toll! Sie konnten ja auch weiter in ihrem kuscheligen Nest bleiben, in dem es sich prima von der großen Welt träumen lässt, während ich diejenige war, die alles hinter sich lassen musste. Meine Stadt, mein Zuhause, meine Freunde.
    Ja, sicher, sie würden mich vermissen, das hatten sie zigfach wiederholt, und womöglich wollten sie mir es mit ihrer Begeisterung nur leichter machen. Trotzdem

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