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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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dann nahm sie mich genauer in Augenschein und klatschte in die Hände. »Nein, so ein großes Mädchen haben Sie schon, das hatten Sie mir gar nicht gesagt!« Das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, und mit betrübter Miene fügte sie hinzu: »Das mit deiner Mutter tut mir ja so unsagbar leid! Du armes, armes Kind! Mein allerherzlichstes Beileid!« Ächzend bückte sich Mrs Hanson und hob ihre Katze hoch, die mit einem unwilligen Maunzen Protest einlegte. »Mein Beileid natürlich auch Ihnen, Professor!«
    Meine Kehle war plötzlich eng und ich musste heftig schlucken. Schon klar, es gehörte sich, sein Beileid auszudrücken, und es war bestimmt auch gut gemeint, und trotzdem hasste ich es wie die Pest. Immer erwischte es mich unvorbereitet, und immer genau dann, wenn ich gerade einmal für fünf Minuten nicht daran gedacht hatte, dass Mam nicht mehr da war. Ich hasste diese Art von Mitgefühl, die wie eine trübe Brühe an mich hinschwappte und mich durchtränkte, dass ich bis ins Mark fror und mir schlecht wurde. Ich sehnte mich danach, nicht ständig mit diesen bedauernden, kummervollen und doch neugierigen Blicken bedacht zu werden. Danach, nicht dauernd in diesem behutsamen Tonfall angesprochen und wie ein rohes Ei behandelt zu werden. Ich wünschte mir, dass man normal mit mir umging, so wie früher. Aber noch mehr wünschte ich mir, alles könnte tatsächlich noch so wie früher sein, bevor Mam überhaupt krank geworden war. Ich gab ein gemurmeltes »Danke« von mir und starrte dann angestrengt auf die zerschrammten Spitzen meiner Stiefel.
    »Haben Sie beide denn Silvester schon etwas vor?«, hörte ich Mrs Hanson über das nun doch zufriedene Schnurren der Katze hinweg fragen, und ich unterdrückte ein Stöhnen. Silvester mit einer neugierigen Nachbarin war so ziemlich das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte.
    Pling . Der eintreffende Aufzug versprach Rettung.
    »Wir müssen erst mal richtig ankommen«, antwortete Ted diplomatisch, schnappte sich meinen Trolley und verfrachtete ihn in den Aufzug. »Dann sehen wir weiter. Ihnen einen schönen Tag, Mrs Hanson.« Mit der einen Hand nahm er seinen eigenen Koffer auf und schob mich mit der anderen vor sich her in den Aufzug.
    »Danke, Ihnen auch! Und alles Gute!«, rief Mrs Hanson; dann hatte Ted schon den Knopf mit der Zahl Drei darauf gedrückt und die Tür ging zu.
    Verstohlen musterte ich Ted, während der Aufzug mit uns aufwärts ruckelte. Einen Fuß in den groben Bergstiefeln über den anderen gekreuzt und die Hände in den Taschen seiner Jeans, lehnte er mit dem Rücken an der Wand. In einem grauen Hoodie mit dem verwaschenen Aufdruck SFSU unter der offen stehenden Daunenjacke und seinen schwarzen Rucksack über der Schulter, eine Spur von rötlichen Bartstoppeln auf dem Gesicht und die Augen hinter den Brillengläsern klein vor Müdigkeit, ähnelte er eher einem Studenten nach der letzten Examensklausur als einem Universitätsprofessor. Vor allem passte er irgendwie überhaupt nicht in dieses gediegene, fast ein wenig protzige Haus.
    Auf eine Art war er immer in meinem Leben vorhanden gewesen, in Form von Fotos, E-Mails und bunten Postkarten, die fremdländische Briefmarken und Stempel trugen, genau wie die Pakete, die fast immer lange nach Weihnachten eintrafen. In Telefonaten, in denen seine Stimme von Knistern und Rauschen und einem blechernen Nachhall verzerrt klang, und in den Erzählungen von Mam, die konsequent immer ins Englische wechselte, wenn sie von ihm sprach. Trotzdem war er nie mehr als eine unwirkliche Vorstellung gewesen; die paar Mal, die wir Zeit zusammen verbracht hatten, konnte ich locker an beiden Händen abzählen, und jedes Mal wenn ich kurz davor gewesen war, ihn »Papa« oder »Daddy« zu nennen, war er wieder abgereist. An irgendeinen so entlegenen Ort der Welt, dass ich ihn manchmal nicht einmal auf Google finden konnte.
    Pling. Die Tür des Aufzugs öffnete sich, und wir schwenkten nach rechts in einen langen Korridor ein, in dem sich die Kombination aus gelben Wänden und hellbraunen Türen der Eingangshalle wiederholte. Nur dämpfte hier der Flor eines braunen Teppichbodens unsere Schritte und die Räder der Koffer. Das Haus war wesentlich größer, als es von der Straße aus gewirkt hatte; als Ted endlich vor einer Tür mit der Aufschrift »3 g « haltmachte, sah ich, dass der Korridor dahinter noch ewig weiterging.
    Ted schloss auf und ließ die Tür hinter uns beiden wieder zuschnappen, bevor er in bemüht heiterem

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