Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
gute Jagd gab. Ich war an keinem derartigen Ort gewesen, sondern in dem Rauch von Cafés und Nächten, wenn das Zimmer sich drehte und man die Wand ansehen mußte, damit es aufhörte, Nächten im Bett, betrunken, wenn man wußte, daß es außer dem nichts gab, und die seltsame Erregung, aufzuwachen und nicht zu wissen, mit wem man war, und die ganze Welt unwirklich im Dunkel und so erregend, daß man in der Nacht noch einmal anfangen muß, nicht zu wissen und sich nichts daraus zu machen, überzeugt davon, daß das alles war, alles, alles, alles, und sich nichts daraus zu machen. Und dann machte man sich plötzlich sehr viel daraus und schlief ein und wachte manchmal morgens damit auf, und all das, was gewesen war, war verschwunden und alles war scharf und hart und klar und manchmal gab es Streit um den Preis. Manchmal war es auch erfreulich und lieb und warm und Frühstück und Mittagessen. Manchmal war alles Nette weg, und man war froh, auf die Straße zu kommen, aber immer der Anfang eines neuen Tages und dann wieder eine Nacht. Ich versuchte, ihm von der Nacht zu erzählen, und dem Unterschied zwischen Tag und Nacht, und wieso die Nacht besser ist, wenn der Tag nicht besonders frisch und kalt ist, und ich konnte es ihm nicht erklären, ebensowenig, wie ich es jetzt erklären kann. Aber wenn Sie es erlebt haben, wissen Sie es. Er hatte es nicht erlebt, aber er verstand jetzt, daß ich wirklich in die Abruzzen gewollt hatte und nur nicht hingefahren war, und wir blieben Freunde mit vielen gemeinsamen Neigungen, aber dieser Unterschied blieb zwischen uns. Er hatte immer gewußt, was ich nicht gewußt hatte und was ich auch, als ic h es lernte, immer wieder vergessen konnte. Aber das wußte ich damals nicht, obschon ich es später einsah. Einstweilen waren wir alle im Kasino; die Mahlzeit war beendet und die Diskussion ging weiter. Wir beide hörten auf zu sprechen, und der Hauptmann rief: «Priester nicht glücklich. Priester nicht glücklich ohne Mädchen.»
    «Ich bin glücklich», sagte der Priester.
    «Priester nicht glücklich. Priester will, daß Österreicher Krieg gewinnen», sagte der Hauptmann. Die anderen hörten zu. Der Priester schüttelte den Kopf.
    «Nein», sagte er.
    «Priester will nicht, daß wir angreifen. Nicht wahr, wir sollen nicht angreifen?»
    «Doch, wenn Krieg ist, müssen wir wohl angreifen.»
    «Müssen angreifen! Werden angreifen.»
    Der Priester nickte.
    «Laßt ihn zufrieden», sagte der Major. «Er ist in Ordnung.»
    «Er kann ja sowieso nichts dagegen machen», sagte der Hauptmann. Wir standen alle auf und verließen den Tisch. 

04
    Die Batterie im Nachbargarten weckte mich am Morgen, und ich sah die Sonne durchs Fenster scheinen und stieg aus dem Bett. Ich ging ans Fenster und sah hinaus. Das Gras war naß vom Tau, und die Kieswege waren feucht. Die Batterie feuerte zweimal, und die Luft kam beide Male wie ein Stoß und erschütterte das Fenster und ließ die Vorderseite meines Pyjamas hin und her flattern. Ich konnte die Kanonen nicht sehen, aber sie feuerten offensichtlich genau oberhalb von uns. Es war lästig, daß sie da waren, aber es war angenehm, daß sie nicht größer waren. Während ich auf den Garten hinaussah, hörte ich, wie sich ein Lastkraftwagen auf der Straße in Bewegung setzte. Ich zog mich an, ging hinunter, trank meinen Kaffee in der Küche und ging hinaus in die Garage.
    Zehn Wagen waren nebeneinander unter einem Schutzdach aufgereiht. Es waren überlastige, stumpfnasige Krankenwagen, grau gestrichen, wie Möbelwagen gebaut. Die Mechaniker arbeiteten an einem auf dem Hof. Drei waren in den Bergen oben auf verschiedenen Verbandsplätzen.
    «Wird diese Batterie eigentlich je beschossen?» fragte ich einen der Mechaniker.
    «Nein, Signor Tenente, sie ist durch den kleinen Hügel geschützt.»
    «Wie steht alles?»
    «Nicht schlecht. Diese Maschine taugt nichts, aber die anderen laufen.» Er hörte auf zu arbeiten und lächelte. «Waren Sie auf Urlaub?»
    «Ja.»
    Er wischte seine Hände an seiner Wollweste ab und grinste.
    «Haben sich gut amüsiert?»
    Alle grinsten.
    «Glänzend», sagte ich. «Was ist denn mit der Maschine los?»
    «Taugt nichts. Eine Sache nach der andern.»
    «Was ist denn jetzt?»
    «Neue Kolbenringe.»
    Ich ließ sie bei der Arbeit; der Wagen sah geschändet und leer aus, mit der offenen Motorhaube und einzelnen, auf der Arbeitsbank ausgebreiteten Teilen, und ich ging unter das Schutzdach und besah mir jeden einzelnen Wagen. Sie waren

Weitere Kostenlose Bücher