In Liebe, dein Mörder: Thriller (German Edition)
freundlich mit ihrer Mutter sprechen, nicht mehr die Spätpubertierende spielen. Mom hatte eine Freundin verdient, auf die sie sich verlassen konnte.
Sie kicherte leise, und erneut fand sie, dass sie sich krank anhörte, verwirrt, divergent.
Es gefiel ihr.
17
Nachdem Vincent sich geduscht hatte, widmete er sich der wenigen Post, die an seine Privatadresse kam. Normalerweise handelte es sich um altmodische Postkarten guter Geschäftsfreunde, die im Ausland weilten, mit ihrer Jacht über das Mittelmeer schipperten, oder sich einfach nur so meldeten. Es gab Briefe, in denen Frauen sich sehr deutlich anboten, getreu dem Motto ‚Wie angele ich mir einen Millionär’. Geschäftspost ging an sein Büro.
Er öffnete einen Brief ohne Absender und schmunzelte in Erwartung eines eindeutigen Angebotes. Es gab Frauen, die obszöne Fotos beilegten.
Er faltete das Papier auseinander, las, und der Brief flatterte zu Boden.
Vincents Herz war einen Augenblick stehen geblieben. Schweiß brach ihm aus. Seine Kopfhaut kribbelte. Er keuchte, bückte sich, hob den Brief auf hshsrehraund las ihn erneut.
Ein dummer Scherz!, schoss es ihm durch den Kopf.
Nein, kein dummer Scherz!, korrigierte er sich rational. Sieben Tote, die ihn an einem der Berliner Spitzenrestaurants treffen wollten. Doch Tote schickten keine Einladung. Vielmehr musste es sich um jemanden handeln, der wusste, der ganz genau wusste, dass er, Vincent Padock, der Mörder war.
Oder führten Spuren zu ihm, und die Polizei warf einen Köder aus? So etwas würden die nicht tun, denn Tricks, wie sie im Fernsehen gezeigt wurden, waren verboten und vor Gericht nicht zugelassen. Außerdem würde vermutlich jeder, der einen solchen Brief erhielt, der Einladung schon aus reiner Neugier Folge leisten. Sein Erscheinen am Borchardt würde also keinen juristischen Wert haben und nichts beweisen.
Er schnupperte am Papier, betrachtete es von allen Seiten und studierte den Poststempel. Der Brief war Montag in Berlin abgeschickt worden.
Er nickte sich zu, drehte sich um und goss sich einen Jim Beam ein. Er legte Chopins Nocturnes auf, meisterhaft interpretiert von Elisabeth Leonskaja. Die perlenden Töne beruhigten ihn. Kein Kratzer verunstaltete die Schallplatte. Er setzte sich auf das Sofa und legte die Beine hoch. Er starrte vor sich hin und versuchte, seine Gedanken zu beruhigen.
Es lebten fast dreieinhalb Millionen Menschen in Berlin. Vielleicht war er nicht der einzige, der einen solchen Brief erhalten hatte. Auch wenn nur ein verschwindend geringer Anteil als Täter infrage kam, blieben noch genug Menschen übrig. Unsinn! Was hätte der Briefeschreiber davon, morgen vor dem Borchardt einen Menschenauflauf zu verursachen? Je mehr Vincent seine Gedanken von links nach rechts schob, desto klarer wurde ihm:
Der Briefeschreiber wusste, dass er der Pfahlmörder war. Es konnte kein Bluff sein.
Vermutlich würde es Vincent eine Menge Geld kosten, den Briefeschreiber ruhig zu stellen. Vielleicht genügte auch ein Sedativum. Wer so einen Brief schrieb, war kreativ. Und wer kreativ war, mochte den einen Satz erdenken, nach dem Vincent suchte.
Der Pfahl wartete.
Vincent fing an zu zittern. Es fiel ihm schwer, den Brief ruhig zu halten.
Derzeit hatte er nichts zu befürchten.
Erst morgen würde sich manches ändern. Für ihn oder für den Briefeschreiber. Nichts würde bleiben, wie es war. Eine weitere Tür hatte sich geöffnet. Sie führte in ein unbekanntes Land.
Und das erfüllte Vincent Padock mit Lust, mit Ehrgeiz, und voller Spannung leerte er das Whiskyglas.
18
Der Himmel über Berlin verhieß pure Freude. Er war strahlend blau, und die aus dem Urlaub zurückgekehrten Vögel zwitscherten in den Bäumen der vielen Alleen, die man der großen Stadt gönnte.
Das Borchardt am Gendarmenmarkt, Ecke Französische Straße, lag im Schatten. Eva wusste, dass Prominente hier ein- und aus gingen, mehr nicht, denn sie zog einen Döner oder eine Portion Pommes jedem Luxusessen vor. Sie hatte eine Strickmütze über die roten Haare gezogen und den Kragen ihres Mantels hochgeklappt, obwohl sie darunter schwitzte. Sie versteckte sich hinter einer der letzten Litfaßsäulen und wartete darauf, wer zur späten Mittagszeit die sündhaft teure Küche des Traditionshauses goutierte.
Sie zitterte am ganzen Körper. Die Vorstellung, Vincent würde der Aufforderung folgen, bereitete ihr Kummer. Sie hatte es übertrieben, war einer wahnwitzigen Idee aufgesessen. Und was bewies es
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