In Liebe, dein Mörder: Thriller (German Edition)
1
Der Mann war mit Gaffa-Tape gefesselt. Er saß auf zwei Klauen aus Metall, wie die eines Gabelstaplers, und lehnte mit dem Rücken an einer genauso ähnlichen Vorrichtung. Er war nackt.
Zu seinen Füßen ein dunkler Fleck. Er hatte sich eingenässt.
Faszinierend! Was empfand der Mann, wenn sich seine Blase löste, er sich verängstigt entwürdigte und wahrnahm, wie die Pisse zwischen seine Beine spritzte und warm seine Füße und Schienbeine befeuchtete?
»Ich werde Ihnen den Knebel entfernen«, sagte Vincent Padock sanft. Unter der Feinstaubmaske klang seine Stimme gedämpft, weshalb er leise und ruhig sprach, um den Delinquenten vorerst nicht unnötig zu ängstigen. »Wenn Sie schreien, werde ich Ihnen jeden Finger einzeln abschneiden.« Er ließ seine Worte wirken. »Werden Sie schreien?«
Der Mann mittleren Alters schüttelte vehement den Kopf und Schweiß spritzte.
»Ich möchte nicht grausam sein«, summte Vincent. »Ich habe nur ein paar Fragen an Sie.« Der Mann nickte, und Hoffnung blitzte in seinen Augen auf wie ein zufälliger Sonnenstrahl auf einer Rasierklinge.
»Okay.« Vincent zog dem Mann den Knebel aus dem Mund und ließ ihn fallen. »Danke für Ihr Verständnis, Herr Siebert.«
»Ja, ja ...«, murmelte der Mann.
»Sie haben sich für zwei Mobbingopfer zu verantworten, Herr Siebert.«
Siebert riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Sein Gesicht war ein lebendes Fragezeichen.
Vincent fuhr fort: »Wissen Sie, dass eine von ihnen, Irene Ditsch, seit über einem Jahr in therapeutischer Behandlung ist? Nein, das wissen Sie nicht? Ich dachte es mir. Warum auch, nicht wahr? Narzissten wie Sie kümmern sich nicht um andere Menschen. Sie halten sich für den Mittelpunkt der Welt. Alles dreht sich um Sie. Sie gehen Ihren Weg, ohne sich um Ihre Opfer zu kümmern, Herr Siebert. Das brachte Sie in nur vier Jahren aus der Schreibstube bis in den Vorstand der Brainegg AG, und ich möchte nicht wissen, wie viele Seelen noch auf Ihr Konto gehen. Frau Ditsch durchlitt drei schlaflose Monate, in denen sie viel zu viele Tränen weinte. Sie stand Ihnen im Weg .«
Siebert grunzte. »Was soll das? Das ist ein schlechter Scherz, oder?«
Vincent schüttelte freundlich den Kopf. »Nein, Herr Siebert. Das ist kein Scherz. Schmeißfliegen wie Sie sind nicht besser als Mörder, wissen Sie das? Sie töten Seelen. Ich töte Männer. Das ist ein Unterschied. Wer Seelen tötet, ist ein Monster, wer Seelentöter vernichtet, ist ein Cherub.« Vincent machte eine Pause und richtete sich auf. »Hat es sich gelohnt? Sind Sie glücklich mit dem, was Sie erreicht haben?«
»Ich ... ich ... Was, zum Teufel, wollen Sie von mir? Wer sind Sie? Wie komme ich hier hin? «
» Wir kennen uns. Meine Firma installierte bei Brainegg AG das Computernetzwerk und die entsprechenden Server. Sie und ich handelten den Preis aus. Eine nichtsahnende Sekretärin erzählte mir von Irene Ditsch und von Petra Korhei. Frau Korhei beging, wie ich der Presse entnahm, vor sechs Wochen Selbstmord, und Frau Ditsch, ich sagte es schon, ist in Behandlung. Die Sekretärin wird sich heute nicht mehr an das Gespräch mit mir erinnern, denn sie sagte noch vieles, und das meiste davon waren Indiskretionen, für die ich die Lady auf der Stelle gefeuert hätte, wäre sie meine Angestellte gewesen.«
» Padock?«
Der nackte Mann erkannte ihn. Er begriff, auch wenn es schwer fiel.
»Padock? Sie sind Vincent Padock? Verdammt, ja, ich erkenne Ihre Stimme und Ihre Augen.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Herr Siebert. Hat es sich gelohnt?«, ging Vincent nicht darauf ein.
Der Mann schluckte hart. Angst funkelte in seinen Augen, Schweiß lief über den weißhäutigen Körper. »Wenn Sie meinen, ob ich glücklich darüber bin, nein, Padock, nein, das bin ich nicht!«
Vincent lächelte gewinnend und zuckte mit den Achseln. »Wissen Sie, Herr Siebert, eigentlich ist das auch nicht wichtig. Ich verlange keine Entschuldigungen. Was geschah, gehört der Vergangenheit an und ist nicht mehr zu ändern. In Kürze werden Sie sowieso tot sein. «
»Was meinen Sie mit tot sein?«, krächzte der Mann.
»Hätte ich mich nur mit Ihnen besprechen wollen, hätten wir das in einem Café oder einer Kneipe getan, vielleicht in meinem Büro. Sie wären meiner Einladung gerne gefolgt, nehme ich an. Man kann ja nie wissen, ob man nicht ein lukratives Angebot erhält. Aber eine solche Einladung wäre in Ihren Unterlagen vermerkt und würde zu mir führen, was wir
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