In meinem Himmel
er.
»Bitte«, sagte ich. »Nicht.« Manchmal kombinierte ich die zwei Wörter zu »Bitte nicht« oder »Nicht, bitte.« Es war, als bestünde man darauf, dass ein Schlüssel funktioniert, obwohl er es nicht tut, oder »Ich hab ihn, ich hab ihn, ich hab ihn« schreit, während der Ball über einen hinweg in die Zuschauertribüne segelt.
»Bitte nicht.«
Doch er bekam es satt, mich betteln zu hören. Er langte in die Tasche meines Parkas und knüllte die Mütze zusammen, die meine Mutter mir gemacht hatte, und stieß sie mir in den Mund. Der einzige Laut, den ich danach noch von mir gab, war das schwache Klingeln von Glöckchen.
Als er mich mit nassen Lippen auf Gesicht und Hals küsste und begann, seine Hände unter mein Hemd zu schieben, weinte ich. Ich fing an, meinen Körper zu verlassen; ich fing an, die Luft und die Stille zu bewohnen. Ich weinte und kämpfte, damit ich nichts spürte. Er riss meine Hose auf, da er den unsichtbaren Reißverschluss nicht fand, den meine Mutter kunstvoll seitlich eingenäht hatte.
»Große weiße Höschen«, sagte er.
Ich fühlte mich riesig und aufgebläht. Ich fühlte mich wie ein Meer, in dem er stand und pisste und schiss. Ich fühlte, wie die Winkel meines Körpers sich nach innen und nach außen bogen, wie beim Fadenspiel, das ich mit Lindsey spielte, nur um sie glücklich zu machen. Er begann, sich über mir zu erregen.
»Susie! Susie!«, hörte ich meine Mutter rufen. »Das Abendessen ist fertig.«
Er war in mir. Er grunzte.
»Es gibt grüne Bohnen und Lamm.«
Ich war der Mörser, er war der Stößel.
»Dein Bruder hat ein neues Bild gemalt, und ich habe Apfelstreuselkuchen gebacken.«
Mr. Harvey ließ mich still unter sich liegen und dem Klopfen seines und meines Herzens lauschen: Wie meins hüpfte wie ein Kaninchen, und wie seins schlug, ein Hammer auf Tuch. Wir lagen da, und unsere Körper berührten sich, und während ich zitterte, überwältigte mich ein mächtiges Wissen. Er hatte mir diese Sache angetan, und ich hatte überlebt. Das war alles. Ich atmete noch. Ich hörte sein Herz. Ich roch seinen Atem. Die dunkle Erde, die uns umgab, roch wie das, was sie war, feuchter Schmutz, wo Würmer und Tiere tagtäglich lebten. Ich hätte stundenlang schreien können.
Ich wusste, dass er mich töten würde. Mir war in dem Moment nicht klar, dass ich ein Tier war, das bereits starb.
»Warum stehst du nicht auf?«, fragte Mr. Harvey, während er sich auf die Seite wälzte und sich dann über mich kauerte.
Seine Stimme war sanft, ermutigend, die Stimme eines Liebenden an einem späten Morgen. Ein Vorschlag, kein Befehl.
Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nicht aufstehen.
Als ich es nicht tat - lag es nur daran, nur daran, dass ich seinen Vorschlag nicht befolgte? -, drehte er sich zur Seite und tastete über seinem Kopf den Vorsprung ab, wo sein Rasierzeug lag. Er holte ein Messer hervor. Nackt lächelte es mich an, zu einem Grinsen gekrümmt.
Er nahm mir die Mütze aus dem Mund.
»Sag mir, dass du mich liebst«, sagte er.
Leise tat ich es.
Das Ende kam trotzdem.
2
Als ich in den Himmel kam, dachte ich zuerst, dass jeder sähe, was ich sah. Dass es in jedermanns Himmel Fußballtorpfosten in der Ferne gäbe und schwerfällige Frauen, die Kugeln stießen und Speere warfen. Dass die Gebäude überall aussähen wie in den Sechzigern erbaute Vorort-Highschools im Nordosten der USA. Große, vierschrötige Kästen, die sich auf gärtnerisch trostlos gestalteten sandigen Parzellen erstreckten, mit vorstehenden und offenen Flächen, damit sie modern wirkten. Am besten gefiel mir, dass die farbigen Häuserblöcke türkis und orange waren, genau wie die Blöcke der Fairfax High. Auf der Erde hatte ich meinen Vater manchmal gebeten, mich an der Fairfax High vorbeizufahren, damit ich mir vorstellen konnte, ich ginge dorthin.
Nach der siebten, achten und neunten Klasse der Mittelstufe wäre die Highschool ein neuer Anfang gewesen. Wenn ich auf die Fairfax High käme, würde ich darauf bestehen, Suzanne genannt zu werden. Ich würde mein Haar fransig schneiden lassen oder zu einem Knoten hochstecken. Ich würde einen Körper haben, den die Jungen begehrten und die Mädchen mir neideten, doch ich würde dabei so nett sein, dass sie mich aus lauter Schuldgefühl nur vergöttern konnten. Ich sah mich gern - nachdem ich eine Art Königinnen-Status erreicht hatte - als Beschützerin der Außenseiter in der Cafeteria. Wenn jemand Clive Saunders wegen seines
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