In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Cunrat? Unsere Gebete wurden erhört! Die Heilige Jungfrau von Einsiedeln hat ein Wunder gewirkt!«
Cunrat sah sie ungläubig an.
Ob Wunder oder nicht, Cunrat hatte beschlossen, dem Ruf seiner Mutter zu folgen und das Angebot des Weißenauer Abtes anzunehmen. Mit Gretli an seiner Seite war er auf Schifffahrt gen Norden.
Nun warf er einen letzten Blick zurück auf die Stadt Costentz. Nicht mehr lange, dann würde die Lädine in Meersburg anlegen, und von dort aus würden sie noch etwa eine Tagesreise zu Fuß bis Weißenau unterwegs sein. Er freute sich darauf, seine Mutter wiederzusehen. Doch die goldleuchtenden Scheiben an der Fassade des Münsters blinkten zum Abschied spöttisch in der Sonne wie Münzen. Wo ist dein Beutel mit Gold?, schienen sie zu fragen. Wo sind all die Reichtümer, die du bei deiner Ankunft in Costentz zu finden hofftest? Wo die Schätze, die du deiner Mutter mitbringen wolltest?
Cunrat wandte sich seufzend ab, und sein Blick fiel auf den Sack mit ihren Habseligkeiten. Immerhin befand sich darin ein Geschenk für die Mutter. Es war ein Pilgerabzeichen aus Einsiedeln in einem Stoffsäckchen: Aus Glockenspeise fein geschmiedet zeigte es die Kapelle mit dem Gnadenbild der Jungfrau, davor einen Engel und den Heiligen Bischof Cunrat. Außerdem hatten sie eine Schabmadonna aus gebranntem Ton gekauft, von der man im Krankheitsfall kleine Krümel ins Essen schaben konnte. Auch eine warme, wollgewebte Decke von Schwester Elsbeth für das Kind war in dem Sack, weiter ein Backmodel mit dem Jesuskind, das Abschiedsgeschenk der venezianischen Bäcker für Cunrat und ein seidenes Tuch von Anna Tettikoverin für Gretli. Der Abschied von den drei Kindern der Tettikovers war Gretli besonders schwer gefallen. Die beiden größeren hatten ihr jeweils ein Andenken mitgegeben: Hänsli einen kleinen Ritter aus gebranntem Ton, bunt bemalt und mit abnehmbarem Helm – »er wird dich an meiner statt beschützen« – und Anna ein gesticktes Bild mit einem Schlüsselchen.
Weiterhin befand sich zwischen den anderen Dingen ein kleines Holzkästchen, ein Geschenk von Giovanni. »Mach es erst auf, wenn du dich in Not befindest!«, hatte er gesagt, doch Cunrats Neugier war zu groß gewesen, er hatte gleich den Deckel gehoben und fünf kleine, elfenbeinerne Würfel darin liegen sehen. Auf seinen Protest, er sei doch kein Spieler, und Giovanni solle seine geliebten Würfel ruhig behalten, hatte der gelacht und ihm zugeflüstert: »Keine Angst, Langer, ich hab meine Würfel noch, das hier sind Zwillinge! Wer weiß, was noch für Zeiten kommen, ob du nicht mal froh sein wirst darüber!«
Sorgfältig zusammengerollt und mit einer Kordel gebunden war daneben ein Pergamentblatt verstaut, auf das eine Fabel des Äsopus geschrieben und gemalt war über ein Kamel, das den Menschen zunächst ob seiner Größe und Hässlichkeit gefährlich und abscheulich erschien, dessen Gutmütigkeit und Nützlichkeit sie aber schließlich doch erkannten. Poggio hatte ihm das Blatt in die Hand gedrückt mit der Bemerkung, es schiene ihm ein passendes Geschenk für Cunrat, und er möge ihn in guter Erinnerung behalten.
In diesem Augenblick spritzte ein Wasserschwall vom Ruderblatt über sie hoch, Gretli schrie auf und lachte, und Zerberus schüttelte sich. Da schien es Cunrat, dass er Schätze genug mit nach Hause bringen würde.
*
Niccolò Niccoli an Poggio Bracciolini, am 29. September, dem Tag des Heiligen Michael, im Jahre des Herrn 1415
Mein lieber Poggio,
ich danke Dir für Deinen letzten Brief aus Costentz. Mit großer Freude erwarte ich die Resultate Deiner unermüdlichen Suche nach den Alten!
Auch unser Freund Francesco Barbaro aus Venedig hat mir geschrieben, dass er es kaum erwarten kann, die Schätze zu sehen, die nur Du den düsteren Mauern der nordischen Klöster zu entreißen imstande bist.
Im Übrigen denkt er darüber nach, die Lagunenstadt zu verlassen. Es scheint, dass sich dort in der letzten Zeit beunruhigende Dinge ereignet haben. In kürzester Frist ist eine ganze Reihe von wichtigen Persönlichkeiten eines unnatürlichen Todes gestorben, und etliche Bewohner der Serenissima mutmaßen bereits, dass der Teufel seine Hand im Spiel habe. Mir scheint, dass nicht nur in Costentz die Menschen bereit sind, angesichts rätselhafter Ereignisse in törichten Aberglauben zu verfallen, sondern selbst in einer weltoffenen Stadt wie Venedig. Aber auch unser Freund Barbaro kann sich trotz aller Verstandeskraft diese
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