In Schinkenbüttel ist der Affe los!
daß Sebastian Fliegenschmidt schon jetzt erfuhr, was am nächsten Tag gedruckt sein würde.
„Schwarz senkte sich das Leichentuch der Nacht über Schinkenbüttel“, schrieb und las er. „Wolkenkobolde versammelten sich über der Stadt und schluckten die geisterhaft blassen Strahlen des Mondes, der so das Grauen, das mitleidlos über den Ort hereinbrach, nicht schauen konnte. Freue dich, Mond, dir blieb Schlimmes erspart! Kaum nämlich hielt der gesunde Vormitternachtsschlaf die vom Tagewerk ermüdeten rechtschaffenen Bürger Schinkenbüttels umfangen, da schlichen aus Büschen und Hecken gedungene Mörder durch die Straßen und richteten unter den im Bette Liegenden ein verheerendes Blutbad an. Die genaue Zahl der Opfer steht noch nicht fest, aber man muß leider damit rechnen, daß sie höher ist, als die schlimmsten Befürchtungen wahrhaben wollen.
Absatz.
Der unerschrockene Detektiv Sebastian Fliegenschmidt, der mit eigenen Ohren die Hilfeschreie der Niedergemetzelten hörte, leitete sofort eine Fahndung ein und ist bereits im Besitz wichtigster Anhaltspunkte, die allein fast ausreichen dürften, die Mörderbande ans Messer zu liefern. Aus Kreisen der entsetzten Bevölkerung kamen unschätzbare Hinweise, aus denen er auf die niedrigen Beweggründe und die Ausführung der bestialischen Untaten schließen kann. Es wird nur mehr eine Frage von wenigen Tagen oder Wochen sein, bis die abgebrühten Gangster hinter Schloß und Riegel sitzen. Wenn Sie dieses Extrablatt in Ihren zitternden Händen halten, liebe Mitbürger, wird die Sonne wieder aufgegangen sein über Schinkenbüttel; aber sie wird auf eine veränderte Stadt scheinen, auf eine Stadt, in der das Leid wohnt, der Schmerz nistet und die Angst schwarze Blüten treibt. Habt dennoch Mut, ihr Leute, denn das Auge des Gesetzes wacht, und der Finger der Gerechtigkeit holt aus zum entscheidenden Schlag gegen das Verbrechen der letzten Nacht.
So, das wäre die erste Seite“, sagte Herr Treberlan und machte eine kleine Pause. „Und nun wollen wir Ihren Einsatz, Herr Fliegenschmidt, in allen Einzelheiten schildern, damit die Menschen in diesem erbärmlichen Kaff Zeuge einer noch nie dagewesenen Sensation werden. Holen Sie recht weit aus und erzählen Sie mir den ganzen Hergang noch einmal. Im Zweifelsfall lieber ein bißchen mehr als zuwenig sagen. Vom Schweigen kann eine Zeitung nicht leben.“
Sebastian Fliegenschmidt, der sich die Sache mit der Zeitung genauso vorgestellt hatte, wie er sie gerade jetzt erlebte, lehnte sich behaglich in den tiefen Sessel zurück und begann seine Geschichte. Und da er viel Phantasie besaß, wie hätte er sonst den Kriminalcomputer Wladimir erfinden können, wurde sie so lang, daß sie kaum auf drei Seiten des Extrablattes unterzubringen war.
Auch sich selbst wußte er bei seinen Ausführungen gebührend herauszustreichen.
Nachdem Tante Steffi die Aktion Schneeball in Gang gesetzt hatte, war sie nicht ins Haus zurück, sondern ein Stück die Straße hinuntergegangen, in der Hoffnung, ihren totgesagten Markus doch noch irgendwo lebendig anzutreffen.
Da sie nicht allein unterwegs war, überall waren ja jetzt Leute dabei, die Personenbeschreibung des Täters weiterzugeben, verlor sie bald die Angst und entfernte sich immer weiter vom Hause ihres Bruders. Sie sprach hier und da einen Mann oder eine Frau an und rief dauernd nach Markus. Dabei stieß sie schließlich auf den Milchmann, der immer noch darüber empört war, daß ihn ein Junge im Schlafanzug Betrüger genannt hatte.
„Oh“, sagte Tante Steffi erschrocken, „was ist denn mit Ihrer Scheibe passiert?“
Der Milchmann hatte keine Lust zu antworten, zumal er sich an einer Scherbe gerade den Zeigefinger verletzt hatte. Er trat wütend mit dem Fuß gegen den Handkarren und leckte sich das Blut vom Finger.
„Bei Ihnen ist doch wohl nicht eingebrochen worden?“ forschte Tante Steffi weiter. Da wandte sich der Mann um und knurrte böse: „Nee, hier ist ein Flugzeug ‘reingeflogen. Gucken Sie sich’s an! Der Pilot steht bis zum Bauch im weißen Käse.“
Tante Steffi wollte schon nachsehen, aber sie merkte gerade noch rechtzeitig, daß der Milchmann sie zum besten halten wollte.
„Warum sind Sie denn so unfreundlich?“ fragte sie.
„Weil ich es auf den Tod nicht leiden kann, wenn man mich aushorcht“, brummte der Milchmann.
„Aushorcht?“ wunderte sich Tante Steffi. „Man wird doch wohl noch Anteil nehmen dürfen an dem Unglück seiner
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