In seiner Hand
gesagt. Der Mann hatte gesagt, er werde mir als nächstes die Nase zubinden. Ich musste durch die Nase atmen. Jetzt. Es ging nicht, ich bekam auf diese Weise nicht genug Luft. Wieder versuchte ich, mich keuchend mit Luft voll zu saugen.
Meine Zunge war zu groß, um in dem winzigen Raum Platz zu finden, der in meinem Mund noch übrig war. Sie stieß immer wieder gegen den Stoff des Knebels. Ich spürte, wie sich mein Körper erneut aufbäumte. Langsam atmen. Ganz ruhig. Ein und aus, ein und aus. Immer weiter, bis ich nichts anderes mehr fühlte. Nur so würde ich am Leben bleiben. Atme, befahl ich mir selbst. Dicke, modrige Luft strömte in meine Nasenlöcher, ölige Fäulnis lief meinen Rachen hinunter. Ich versuchte, nicht zu schlucken, aber dann ließ es sich nicht länger vermeiden, und wieder schwappte Ekel in mir hoch, füllte meinen Mund. Ich konnte es nicht ertragen. Doch, ich konnte. Ich konnte, ich konnte, ich konnte.
Atme ein und aus, Abbie. Abbie. Ich bin Abbie. Abigail Devereaux. Ein und aus. Denk nicht nach. Atme. Du bist noch am Leben.
Der Schmerz in meinem Schädel wich ein Stück zurück.
Ich hob den Kopf ein wenig an, der Schmerz strömte hinter meine Augen. Ich blinzelte ein paarmal. Dieselbe tiefe Dunkelheit, egal, ob ich die Augen offen oder geschlossen hatte. Meine Wimpern drückten gegen die Kapuze. Mir war kalt, so viel spürte ich inzwischen.
Meine Füße fühlten sich in den Socken wie Eiszapfen an.
Waren das meine eigenen Socken? Sie kamen mir so groß und rau vor, gar nicht vertraut. Meine linke Wade schmerzte. Ich versuchte die Beinmuskeln zu bewegen, um dieses Gefühl eines Krampfes loszuwerden. Plötzlich begann eine Stelle an meiner Wange unter der Kapuze zu jucken. Ein paar Sekunden lang lag ich reglos da, konzentrierte mich nur auf das Jucken, dann wandte ich den Kopf zur Seite und versuchte, die Stelle mit meiner hochgezogenen Schulter zu berühren. Ohne Erfolg. Ich verdrehte den Kopf, bis ich mein Gesicht über den Boden reiben konnte.
Außerdem war ich nass. Zwischen den Beinen und an den Oberschenkeln. Ich spürte die klamme Kälte unter meiner Hose. War das überhaupt meine Hose? Ich lag in meiner eigenen Pisse, umgeben von Dunkelheit, eine Kapuze über dem Kopf, gefesselt und geknebelt. Atme ein und aus, befahl ich mir selbst. Atme immer weiter, ein und aus. Versuch, die Gedanken langsam herauszulassen, einen nach dem anderen, damit du nicht darin ertrinkst.
Ich spürte den Druck der in mir aufgestauten Angst, mein Körper fühlte sich wie eine zerbrechliche Muschelschale an, zum Bersten gefüllt mit tosenden Wassermassen. Ich zwang mich, nur an die Atemluft zu denken, die durch meine Nasenlöcher ein und aus strömte. Ein und aus.
Jemand – ein Mann, der Mann, der den Knebel in meinen Mund gerammt hatte, hatte mich an diesen Ort gebracht. Er hatte mich hier festgebunden, ich war seine Gefangene. Warum? Darüber konnte ich noch nicht nachdenken. Ich lauschte, ob irgendetwas zu hören war, abgesehen vom Pfeifen meines Atems, dem Schlagen meines Herzens und dem kratzenden Geräusch, das meine Hände und Füße auf dem rauen Boden verursachten, wenn ich mich bewegte. Vielleicht war er noch hier, kauerte irgendwo im Raum. Aber es war kein anderes Geräusch zu hören. Im Moment war ich allein. Ich lag da und lauschte meinem Herzen. Die Stille erdrückte mich.
Ein Bild flatterte durch meinen Kopf. Ein gelber Schmetterling, der sich mit zitternden Flügeln auf einem Blatt niederließ. Es kam mir vor, als wäre plötzlich ein Sonnenstrahl auf mich gefallen. War das etwas, woran ich mich erinnern konnte, ein Augenblick, den ich aus der Vergangenheit herübergerettet und bis jetzt irgendwo aufbewahrt hatte? Oder war dieses Bild bloß ein zufälliges Produkt meines Gehirns, eine Art Reflex oder Kurzschluss?
Ein Mann hatte mich an einem dunklen Ort festgebunden.
Offenbar hatte er mich entführt und dann hierher gebracht.
Doch ich konnte mich nicht daran erinnern. Ich zermarterte mir den Kopf, aber er war leer – ein leerer Raum, ein verlassenes Haus, kein Widerhall. Nichts. In meinem Hals kroch ein Schluchzen hoch. Ich darf nicht weinen, ermahnte ich mich. Ich muss nachdenken, aber vorsichtig, ohne die Angst nach oben zu lassen. Ich darf nicht in die Tiefe gehen. Ich muss an der Oberfläche bleiben. Nur über das nachdenken, was ich weiß. Fakten.
Langsam werde ich mir ein Bild zusammensetzen, und dann werde ich auch in der Lage sein, es mir anzusehen.
Mein Name ist
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