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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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Preis bekam. Unter Bürgermeister Giuliani waren die Sexshops und Peepshows vom weitaus gruseligeren Auftritt von Walt Disney & Co. und Reklametafeln mit nackten Calvin-Klein-Kindern verdrängt worden. Der Verkaufspavillon blieb jedoch als dauerhafte Ikone des Times Square erhalten. Seine riesigen roten Buchstaben begannen zwar zu verblassen, aber man konnte sie noch immer aus drei Blocks Entfernung lesen: TKTS – Tickets.
    Lee konnte sich nicht erinnern, wie oft er hier angestanden hatte. Bibbernd oder schwitzend, bei jedem Wetter, Seite an Seite mit Touristen aus Holland, Belgien, Portugal und Singapur – Menschen aus allen erdenklichen Ländern und Gegenden, die an dieser großartigen Kreuzung aufeinandertrafen. Das gemeinsame Anstehen mit Fremden und Ausländern war Bestandteil des Erlebnisses und ein Teil des Vergnügens. Nie wusste man, wem man begegnen, welcher Straßenmusiker die Menschenmenge beschallen oder welcher aufstrebende junge Schauspieler einem einen Flyer für irgendeine vom Broadway weit entfernt stattfindende Aufführung in die Hand drücken würde. Das war das Beste daran, in New York zu leben, und dieser Gedanke trieb Lee erneut die Tränen in die Augen.
    Die meisten Vorstellungen gingen gerade zu Ende. Arm in Arm schlenderten Menschen zu Bars und Restaurants, um nach dem Theater etwas zu trinken und zu essen. Unzählige gelbe Taxis rasten ungeduldig die Straßen entlang. Aber die übliche Fröhlichkeit fehlte. Heute Abend fühlte es sich anders an – und doch herrschte eine Stimmung von Kameradschaft, wie auch schon im Konzert und wie überhaupt in der gesamten Stadt seit jenem schrecklichen Tag. Er sah Kathy an, deren Gesicht im grellen Licht des Times Square erwartungsvoll leuchtete, und überlegte, ob es einen Unterschied machte, aus Philadelphia statt aus New York zu sein. Womöglich empfand sie den Schmerz weniger stark als er. Er verwarf den Gedanken als kleinlich. Vielleicht war sie einfach nur glücklich, mit ihm zusammen zu sein.
    »Verstehe«, sagte sie. »Dann lass uns ins Sardi’s gehen.«
    »Einverstanden.«
    Der Einfall kam ihm seltsamerweise passend vor – wenn sie denn schon irgendwohin mussten, konnten sie den Rest des Abends ebenso gut im Sardi’s verbringen. Er mochte den Barkeeper im zweiten Stock, ein freundlicher Kroate namens Jan, der einen tollen Manhattan mixte. Lee war lange nicht im Sardi’s gewesen. Er hoffte, dass Jan heute Abend arbeitete.
    Sie durchquerten den Speisesaal im Erdgeschoss, dessen Wände mit Hirschfeld-Karikaturen von Theaterkoryphäen zugepflastert waren. Bei einem Porträt von Carol Channing bogen sie zur Treppe ab. Sie grinste darauf wie der böse große Wolf, und in ihrem Blick brannte der Fluch des Schauspielers: das unersättliche Verlangen nach Aufmerksamkeit und Verehrung.
    Sie hatten Glück. Oben war Jan im Dienst, und der Laden brummte. Bewehrt mit ein paar Drinks, versammelte sich das gehobene Publikum um die lang gestreckte Bar und wirkte entspannter als die Menschen draußen auf der Straße mit ihren verkniffenen, bekümmerten Gesichtern. Möglicherweise befürchteten sie alle, ein weiterer Anschlag drohe – aber nach ein paar von Jans Cocktails, dachte Lee, vergaß man, sich darüber Sorgen zu machen. Am hinteren Ende der Bar hatte sich eine mollige Frau mit gebleichtem Haar im rosa Chanel-Kostüm und mit dazu passender Pillendose vergnügt an ihre Verabredung geschmiegt, einen gediegenen Herrn mit Menjoubärtchen im Smoking. Auf der Bar vor ihnen lagen zwei Theaterprogrammhefte mit den typischen gelben Seitenköpfen, auf denen in fetten schwarzen Lettern stand: PLAYBILL . Das Paar passte perfekt zum Dekor – zwei Statisten aus einem B -Movie der Vierzigerjahre.
    Als er Lee sah, verzog sich das farblose Gesicht des Barkeepers zu einem breiten Grinsen.
    »Wo warst du denn, mein Freund? Lange nicht gesehen.«
    Als Student am John Jay College hatte Lee die Angewohnheit gehabt, ziemlich regelmäßig nach dem Unterricht ins Sardi’s zu gehen, zusammen mit seinem Freund Jimmy Chen, der den Laden liebte. Sie hatten sich Manhattans bestellt und sich über die Kurse unterhalten. Jimmy war damals bereits Polizist, aber fest entschlossen, Detective zu werden. Deshalb schob er nachts Dienst und studierte tagsüber. Er wurde am Ende tatsächlich Detective und arbeitete in Chinatown, wo Lee sich manchmal mit ihm zum Mittagessen traf.
    »Ich habe gearbeitet, Jan – tut mir leid, dass ich nicht vorbeigekommen bin.« Das war nur die halbe

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