Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
Vom Netzwerk:
auf, nahm einen Beutel aus Maulwurfsfell mit achtzig fleur-de-vie- Dollar heraus und warf ihn ihr vor ihr Füße. Sie öffnete den Beutel, sah das Silbergeld aufblitzen und sog die Luft ein. Das ist von der Weißmarsch, sagte sie.
    Ich schwieg.
    Die Hexenanhänger wechselten Blicke. Ich steckte meine Hand unter den Mantel und umklammerte meinen Revolver. Wir brauchen das Geld, meinte ein Mann. Die Hunde von der Regierung besabbern uns schon die Schultern. Ich rieche schon ihren stinkenden Atem.
    Die Frau hielt eine Handvoll Silbergeld hoch, das wie irre funkelte. Kurz bevor die Weißmarsch geplündert wurde, ist ein Münzenpräger verschwunden, meinte sie. Man nahm ihm seine Vorräte weg und verteilte sie unter die Leute. Ich war da, aber ich wollte nichts haben. Sie zuckte die Achseln. Wie schnell sich doch alles verändert.
    Mir war klar, daß sie glaubten, ich hätte einen flüchtigen Kameraden von ihnen ausgeraubt. Ich nehme an, Sie wissen nicht sonderlich gut über die Zerschlagung der Weißmarsch Bescheid?«
    »Nein«, sagte der Bürokrat.
    »Nur vom Hörensagen«, meinte Chu. »Sowas lehrt man nicht in der Schule.«
    »Sollte man aber«, sagte der Kommandant. »Die Kinder sollen ruhig wissen, was es heißt, zu regieren. Das reicht zurück in die Zeit, als das Tideland noch jung war, als Kommunen und utopische Gemeinschaften wie Pilze aus dem Boden schossen. Die meisten waren harmlos, nicht lebensfähig, und verschwanden nach einem Monat wieder von der Bildfläche. Mit den Weißmarsch-Kulten verhielt es sich allerdings nicht so; sie breiteten sich aus wie ein Marschfeuer. Männer und Frauen liefen am hellichten Tag in der Öffentlichkeit nackig herum. Sie aßen kein Fleisch. Sie veranstalteten rituelle Orgien. Sie verweigerten den Dienst in der Bürgerwehr. Fabriken schlossen aufgrund von Arbeitskräftemangel. Die Ernte wurde nicht mehr eingebracht. Kinder gingen nicht mehr zur Schule. Einfache Bürger prägten ihre eigenen Münzen. Sie hatten keine Anführer. Sie zahlten keine Steuern. Keine Regierung kann so etwas dulden.
    Wir fielen mit Pech und Schwefel über sie her. Binnen eines einzigen Tages wurden die Kulte vernichtet, die Überlebenden in den Untergrund getrieben und ihnen soviel Entsetzliches zugefügt, daß sie sich nie wieder hervorwagen würden. Sie können sich vorstellen, daß ich in großer Gefahr schwebte. Aber ich zeigte keine Angst. Ich fragte sie, ob sie das Geld nun haben wollten oder nicht.
    Einer der Männer nahm den Beutel und wog ihn in der Hand. Dann steckte er sich je eine Handvoll Münzen in die Hosentaschen, wie ich es gehofft hatte. Das werden wir gerecht unter uns aufteilen, sagte er. Solange der Geist lebt, ist die Weißmarsch nicht tot. Er warf mir ein Bündel Kräuter zu und meinte spöttisch, die würden einen Leichnam zum Leben erwecken, von meinem schlaffen Schniedel ganz zu schweigen.
    Ich legte das Bündel in meinen Bleikasten und ging. Zu Hause prügelte ich Ysolt blutig und warf sie dann auf die Straße. Ich wartete eine Woche lang, dann meldete ich dem inneren Abschirmdienst, in der Gegend trieben sich flüchtige Anhänger des Hexenkults herum. Sie tasteten das Gebiet ab, lokalisierten die Münzen und damit auch die Leute. Ich wußte immer noch nicht genau, wer meine Ysolt geschändet hatte, aber alle hatten noch ihren Anteil, somit wurde er ebenfalls bestraft. O ja, bestraft wurde er.«
    Nach kurzem Schweigen sagte der Bürokrat: »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
    »Ich wurde zur Weißmarsch geschickt, kurz bevor sie fiel. Ich beseitigte den Münzenpräger und verstrahlte seine Bestände mit einem Gerät, das mir meine Vorgesetzten zur Verfügung gestellt hatten. Die Hälfte derer, die unserem Zorn entkamen, nahmen ihr Falschgeld mit. Sie kamen nie dahinter, warum wir sie so leicht fanden. Kurze Zeit später stellte sich heraus, daß viele Strahlenschäden erlitten hatten, an einer Stelle, wo es Männer besonders hart trifft. Kein schöner Anblick. Ich habe noch Bilder davon.« Er steckte die Hände in die Hosentaschen und hob die Brauen. »Das Zaubermittel gab ich Ysolts Hund, der daraufhin starb. Soviel zur Heimtücke von Zauberern.«
    »Das Verstrahlungsgerät ist illegal«, meinte der Bürokrat. »Nicht einmal die planetarische Regierung darf es benutzen. Es kann eine Menge Schaden anrichten.«
    »Tun Sie Ihre Pflicht, o Jäger des Volkes! Nur zu. Die Spur ist erst sechzig Jahre alt.« Bergier blickte verbittert auf seine Monitore. »Ich schaue

Weitere Kostenlose Bücher