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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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potenzieller Interessenten natürlich gigantisch sein musste – ebenso der zu erwartende Gewinn.
    »Wie ihr Landschaften und Städte darstellt, weiß ich jetzt«, sagte John. »Aber wie sieht es mit den Menschen aus?«
    »Für die Körperdarstellung haben wir Schauspieler genommen. Meist Laiendarsteller, Profis sind zu teuer. Sie mussten vor laufender Kamera alle möglichen Bewegungen vollführen, die wir eingescannt und dadurch digitalisiert haben. Im Spiel können wir situationsgerecht darauf zurückgreifen – aus allen denkbaren Perspektiven. Wir können die Körper auch digital verändern, sie beispielsweise größer oder kleiner, dicker oder dünner machen. Nur die Gesichter bleiben zunächst frei. Dafür verwenden wir meist Porträtfotos aus diversen Internet-Bildarchiven. Wir bereiten sie 3-D-mäßig auf und modifizieren sie so, dass keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Diese 3-D-Masken heften wir dann gewissermaßen auf die noch unbearbeiteten Gesichter – fertig sind die Spielfiguren. Von den Personen aus deinem unmittelbaren Umfeld haben wir separate Fotos geschossen – von Laura, von Chester, von deinen Kollegen im Büro und natürlich von meinem Team und mir. Auf diese Weise konnten wir mit relativ wenig Zusatzaufwand ein individuell auf dich zugeschnittenes Szenario zusammenstellen.« Er hielt einen Moment inne. »Du warst übrigens erst der zweite Außenstehende, der in den Genuss unserer Simulation gekommen ist«, sagte er schließlich.
    »Wer war der erste?«
    »Deine Frau. Während du auf Caldwell Island warst. Ich habe euch einen Besuch abstatten wollen, um mit dir zu sprechen, fand aber nur Laura vor. Ich dachte, es sei kein schlechter Ansatz, sie von meiner Geschäftsidee zu überzeugen. Deshalb habe ich sie ein paar Sequenzen aus dem Programm durchleben lassen, damit sie mir hilft, dich zu ködern – was ja auch funktioniert hat. Sie hält nicht viel von deiner mittelalterlichen Insel. Dafür ist sie umso überzeugter davon, dass sich eine Investition in mein Projekt lohnt. Hör auf deine Frau, John! Du weißt, dass sie hundertmal mehr Geschäftssinn besitzt als wir beide zusammen.«
    Da war etwas Wahres dran, dennoch wollte John sich heute noch nicht festlegen. Zuerst musste er das Erlebte in Ruhe verarbeiten, bevor er seine Entscheidung traf. Im Vergleich zu Gordons Abenteuerangebot nahm sich das, was er seinen Urlaubern auf Caldwell Island bot, natürlich armselig und langweilig aus, gleichzeitig waren die Gefahren ungleich höher. Wie schnell konnte sich jemand eine Schramme, eine Platzwunde oder gar einen Beinbruch zuziehen? Selbst, wenn John noch so viel ausgebildetes Personal einstellte – ein Restrisiko würde immer bleiben. Gleichwohl war ihm Caldwell Island aus irgendeinem Grund sympathischer, vielleicht gerade weil es nicht ganz so perfekt war wie Gordons virtuelle Welt.
    »Ich sehe, du zögerst noch«, stellte Gordon fest.
    »Momentan stehe ich noch zu sehr unter dem Einfluss der Reise. Ich will keine voreilige Entscheidung treffen. Immerhin geht es um einen ordentlichen Batzen Geld.« Selbst wenn er Gordons Projekt letztlich befürworten würde, benötigte er für eine Investition dieser Größenordnung die Zustimmung des Firmen-Treuhandgremiums. Er konnte Gordon zum momentanen Zeitpunkt also ohnehin nichts versprechen. »Lass mir ein paar Tage, damit ich über alles nachdenken kann.«
    Gordon willigte ein. »Aber überlege es dir nicht zu lange«, sagte er. »Es gibt noch andere Interessenten, die sich mein Projekt ansehen wollen. Falls sie ihr Geld bei mir anlegen, wünschen sie keine weiteren Investoren, das haben sie schon durchblicken lassen. Sie wollen den Kreis der Entscheider so klein wie möglich halten.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich würde gerne mit dir zusammenarbeiten, John, aber ich muss auf Nummer sicher gehen. Wenn ich von anderer Seite zuerst ein Angebot bekomme, werde ich es annehmen. Ich kann es mir nicht leisten, am Ende ohne Kapital dazustehen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.«
    John nickte. Ihm fiel ein, dass Gordon in Kontakt mit den Ljuganow-Brüdern stand, so wie er selbst, und er fragte sich, wie die beiden Russen sich entscheiden würden, wenn sie die Simulation erst miterlebt hatten. Würden sie ihr Geld für Gordons virtuelles Reiseprogramm lockermachen oder doch lieber für den Ausbau von Caldwell Island? John seufzte. Tief im Innern wusste er, dass die Zukunft den Computern gehörte. Dennoch widerstrebte ihm die Vorstellung,

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