Indigo (German Edition)
gemacht?
– Äh … Na ja, wegen voriger Woche … Er hat es mir erst jetzt gebeichtet, wissen Sie. Und ich erziehe ihn auch nicht so, deshalb hat es mich entsetzt. Was er da zu Ihnen gesagt hat.
Gesagt?
Robert machte die Tür etwas weiter auf. Das Ohrenspitzen eines stellvertretenden Gegenstandes.
– Äh, ich möchte es natürlich nicht wiederholen, ich …
– Nein, sagte Robert, sagen Sie’s ruhig, denn ich weiß es nicht mehr, ehrlich. Ich bekomme ziemlich viel zu hören. Was hat er denn gesagt?
– Das D-Wort.
– Dingo?
Die Nachbarin nickte.
– Okay, das ist …
Robert suchte nach dem richtigen Wort. Ihm fiel keines ein.
– U-und … s… septische Sau …
Die Stimme der Nachbarin war kaum noch hörbar. Aber Robert hatte verstanden.
– Fuck, sagte er und trat einen Schritt zu ihr ins Treppenhaus hinaus.
– Oh Gott, das hätte ich nicht sagen … ich meine wiederholen sollen, Herr Tätzel, es tut mir leid, bitte, mein Sohn hat ja keine Ahnung, was diese Wörter bedeuten. Sie verwenden sie einfach so!
– Ja, sagte Robert. Sie sollten sehen, was sie mit dem Mongoloiden aus dem Nachbargarten machen!
Die Frau zuckte zusammen.
– Sie wissen schon, sagte Robert und spürte, wie sein Herz zu schlagen begann. Der mit der großen Zunge, mit der er gleich … llllm … mehrere Briefmarken gleichzeitig ablecken kann. Der so viel lacht und alle immer umarmen will. Den haben sie abwechselnd in den Bauch geboxt. Ihr Sohn war auch dabei.
– Was? Ich weiß nicht, wer …
– Der Mongo–
– Ich weiß von keinem Kind mit Down-Syndrom, sagte Frau Rabl. Mein Sohn war da sicher nicht …
Ihr Gesicht war so zerknittert, dass Robert davon ganz berauscht wurde. Er mochte solche Gesichter. Er hatte einmal einen Hund porträtiert, der genauso ausgesehen hatte.
– Ja sicher kennen Sie den, sagte er. Fragen Sie Ihren Sohn. Er wird Ihnen auch von seiner Entdeckung erzählen, von der er mir vor Kurzem berichtet hat. Total krankes Zeug, aber auch faszinierend. Wenn man einem M… Menschen mit Down-Syndrom die Faust ins Gesicht schlägt, dann entschuldigt er sich bei dir, als hätte er was falsch gemacht! Der arme von allen verspottete Kerl.
Robert deutete einen Schlag an.
Frau Rabl geriet nun vollends aus der Fassung. Ihr Gesicht wirkte fast schon kubistisch. Robert verabschiedete sich von ihr mit einem knappen Winken und machte dann die Tür zu.
Er begann laut und mit schwerem Zungenschlag den Rama-lama-ding-dong-Song zu singen, bis er glaubte, dass Frau Rabl außer Hörweite war. Dann setzte er sich auf den Balkon. Es dauerte eine Weile, bis die Scham ihn einholte. Er hätte auch noch länger vor ihr davonlaufen können, denn sie bewegte sich naturgemäß mit der Geschwindigkeit alter Erinnerungen. Aber es war egal. Er hatte seinen Standpunkt klargemacht.
Später saß er im Badezimmer, dessen Nordwand er vor ein paar Jahren, zur Erinnerung an die Lichtenberghäuschen in der Helianau, schwarz hatte streichen lassen, auf dem Rand der Wanne und überlegte, welche Methode die wirksamste wäre, um das dumme Nachbarskind aus der Welt zu schaffen.
Das Problem war, dass er nicht klar denken konnte. Der Besuch der Rabl hatte ihn durcheinandergebracht. Es würde mir bestimmt bessergehen, sagte er sich, wenn ich irgendetwas kaputtmache. Er hatte sich bereits nach etwas umgesehen. Vergeblich.
Klar, er könnte diese kleinen Behälter mit Rattengift aus dem Keller holen, das wäre sozusagen die klassische Variante. Er spielte das Szenario ein paar Mal im Kopf durch und stellte fest, dass er keinerlei Genugtuung empfand. Es war ja nicht so, dass der Junge zu wenig leiden würde, nein, Rattengift war wirklich schlimm. Es löste die Magenschleimhäute auf, und man begann wie verrückt zu bluten und verschluckte sich am eigenen Blut und so weiter.
Vielleicht sollte er ihm nur Angst einjagen, ihn ein wenig in der Gegend herumscheuchen. Aber dann würde der elende Schrumpfkopf es natürlich überall erzählen. Nein, er musste eine Endlösung finden. Endlösung, das Wort war verboten, radioaktiv, man durfte es nicht denken, nicht in diesem Zusammenhang, es war respektlos, es so zu verwenden, die Millionen kaltblütig ermordeter … Robert stand auf. Sein Herz schlug.
– Endlösung, sagte er. Endlösung der Nachbarskindfrage.
Aber da war das Gefühl in der Brust schon wieder weg. Der Reiz der verbotenen Formulierung war zu schwach gewesen. Er setzte sich wieder auf den Rand der
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