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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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er. »Hast du keine Augen im Kopf?«
    Ich murmelte eine Entschuldigung und wollte schon weiterlaufen, als mir plötzlich eine Idee kam. Ich fragte ihn, wo Tamra wohnte.
    »Warum willst du das wissen?« Misstrauisch musterte er mich.
    »Weil dein Cousin Conrad vielleicht dort ist und ich ihn dringend sprechen muss«, antwortete ich ungehalten.
    Timmy betrachtete mich und schien sich zu fragen, was jemand wie ich seinem Cousin wohl Wichtiges sagen könnte. Dann grinste er und meinte: »Was springt dabei für mich heraus?«
    Am liebsten hätte ich ihn einen gierigen kleinen Scheißer genannt und zum Teufel gejagt, aber dann hätte er nur mit den Achseln gezuckt und mich stehen lassen. Doch aus irgendeinem Grund war ich mir auf einmal sicher, wo Conrad war. Ich musste wissen, wo Tamra wohnte! Also kramte ich in meiner Tasche und förderte einen Zehn-Dollar-Schein zutage.
    Timmy sah sich kurz um, ob uns auch niemand beobachtete, dann schnappte er sich den Zehner. Er zeigte auf die Hauptstraße. »Den zweiten Block links und dann die Alder Street immer geradeaus. Es ist der letzte Trailer am Ende der Straße.«
    Ich nickte. Ein Danke verkniff ich mir.
    Am liebsten wäre ich losgerannt, aber ich wollte kein Aufsehen erregen. Also zwang ich mich, normal zu gehen. Die Hauptstraße zurück in Richtung Ortsausgang und dort bog ich in die Alder Street. Es war eine schmale Straße und hinter den Holzhäusern auf der rechten Seite begann der Wald. Die Hütten waren noch winziger und schäbiger als die, die ich bisher gesehen hatte. Beinahe konnte man sie nicht von all dem Müll, der sie umlagerte, unterscheiden. Obwohl helllichter Tag war, fühlte ich mich ausgesprochen unwohl und beschleunigte nun doch meinen Schritt.
    Als ich fast am Ende der Straße angekommen war, sah ich den Trailer, in dem Tamra und ihr Sohn wohnen mussten. Plötzlich bellte mich ein Hund an und ich schrie erschrocken auf. Instinktiv machte ich einen Satz auf die Mitte der Straße.
    Ich befand mich auf gleicher Höhe mit dem vorletzten Haus, einer ziemlichen Bruchbude, und jetzt sah ich auch den Hund. Er sah aus wie Boone, dasselbe graue Fell und der dunkle Streifen auf dem Rücken. Der Wolfshund zerrte an seiner Kette und bellte, dass der Geifer flog. Die Kette war an einem Stahlseil befestigt, sodass er von seinem Zwinger bis zur Grundstücksgrenze rennen konnte. Es gab keinen Zaun.
    Eine Hand auf dem Herzen, stand ich wie versteinert. Am aggressiven Bellen des Wolfshundes erkannte ich ihn wieder. Es war derselbe Hund, der mich am Strand angefallen hatte. Rowdy, Boones Bruder.
    Ein Mann mit kurz geschorenem Haar und Stiernacken – ich nahm an, dass es Milos und Tamras Vater war – kam aus dem Haus und sah eine Weile mit ausdrucksloser Miene zu mir herüber. Schließlich brüllte er den Hund an und der lief mit eingezogenem Schwanz zurück zum Haus.
    Endlich konnte ich meine Beine wieder bewegen. Ich wusste, dass der Mann mir nachblickte, aber das war mir egal. Mittlerweile war mir vieles egal, was mir noch vor ein paar Tagen Kopfzerbrechen bereitet hätte.
    Vor Tamras Trailer angekommen, blieb ich einen Augenblick vor der Tür stehen. Ich hörte ein Baby weinen. Mit etwas Glück war Conrad da drin.
    Ich klopfte.
    Im Inneren des Trailers rührte sich nichts.
    »Conrad bitte«, flüsterte ich. »Bitte, mach auf.«
    Er konnte mich nicht gehört haben, nicht hinter der Trailertür, obwohl sie alles andere als massiv aussah. Aber er öffnete mir. Ganz langsam glitt die Haustür auf und dann die Fliegengittertür.
    Erschrocken holte ich Luft. Conrad hatte ein blaues Auge, eine Platzwunde auf dem Jochbein darunter und eine geschwollene Lippe und ich fragte mich: Stammten diese Verletzungen in Conrads Gesicht von der Prügelei mit Josh, deren Zeuge ich gewesen war? Oder waren sich die beiden später noch einmal begegnet?
    Conrads Blick wanderte von mir hinüber zum Nachbarhaus, wo Milos Vater immer noch in der Tür stand. »Na komm«, sagte er endlich und zog mich nach drinnen.
    Ich folgte ihm in die Küche des alten Trailers, in der es nach abgestandenem Zigarettenqualm stank. Kayad saß in einem Kinderstuhl am Tisch. Sein Mund war breiverschmiert. »Ich füttere ihn gerade«, sagte Conrad. Er setzte sich und fuhr fort, dem Baby möhrenfarbenen Brei in den Mund zu schieben.
    »Josh ist tot«, sagte ich.
    Conrad hob den Kopf, und als ich einen Blick in seine Augen erwischte, wurde mir klar, dass er es wusste. Ich suchte etwas in seinem Gesicht, fand es aber

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