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Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Titel: Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Anja Dostert
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diese Liste zu werfen. Andere können ohne Lesebrille im Supermarkt ohnehin nichts auf der Rückseite erkennen.
    Hersteller sind verpflichtet, alle Zutaten im Zutatenverzeichnis aufzulisten, in der Reihenfolge der enthaltenen Menge. Leider können auch Experten der Zutatenliste nicht immer entnehmen, was wirklich im Produkt enthalten ist. Ziel der Hersteller ist das „Clean label“, die saubere Zutatenliste. Das Paradox im Spiel um die saubere Liste: Nicht mal die Hersteller selbst kennen wirklich alle Zutaten ihres Produktes! Der Begriff der Nichtzutat macht dieses Versteckspiel möglich.
    Eine Nichtzutat ist eine Zutat, die nicht im Zutatenverzeichnis aufgeführt werden muss, also eine Hintertür gegen das ursprüngliche Gesetz. Zu den Zutaten gehören nur die Inhaltsstoffe, die im fertigen Produkt eine Aufgabe erfüllen. Hat der Inhaltsstoff nur im Vorprodukt eine Aufgabe erfüllt, so muss er im fertigen Produkt nicht mehr deklariert werden, obwohl er enthalten ist! Die Nichtzutat ist ein schlechter Witz des Gesetzgebers. Könnte der Verbraucher sehen, was wirklich in seinem Essen steckt oder auf dem Produktionsweg zugesetzt und entfernt wurde, so würden einige Lebensmittel mit langen Zutatenlisten im Regal verbleiben.
    Bei Kochsalz muss deklariert werden, wenn eine Rieselhilfe verwendet wird. Im fertigen, gesalzenen Lebensmittel wird die Rieselhilfe nicht mehr erwähnt. Die Chemikalie Dimethyldicarbonat entkeimt kalte Getränke, die nicht erhitzt werden können. Da das Entkeimungsmittel sich zersetzt, muss es nicht deklariert werden. Setzt sich ein Produkt aus Vorprodukten zusammen und diese sich wiederum aus Vorprodukten, so kann man heute davon ausgehen, dass der Hersteller die Inhaltsstoffe seiner eigenen Produkte nicht alle kennt.
    Die Zutatenliste muss die Zutaten in der mengenmäßig absteigenden Reihenfolge auflisten. Die Zutat, die vorne steht, ist Hauptbestandteil. Kein Hersteller von Frühstücksflocken möchte in seinem Zutatenverzeichnis als erste oder zweite Zutat das böse Wort Zucker lesen. Deshalb wird der Zucker über mehrere Zutaten in das Lebensmittel eingebracht und so in der Liste versteckt. Zucker kann man als Glucose-Fructose-Sirup, als Fruchtsüße, Honig, Maltodextrin, Invertzuckersirup, Laktose, Glukose-Sirup, Agavendicksaft oder Dextrose zusetzen. Verwendet man mehrere Zuckerarten, so tummeln sich diese weiter hinten im Zutatenverzeichnis. Dort versteckt sich der Zucker hinter Begriffen wie Dextrose und Laktose auch in herzhaften Produkten, in denen der Verbraucher ihn nicht vermutet: In Salaten, Saucen und Wurstwaren.
    Mit E-Nummern werden in der Europäischen Union Zusatzstoffe einheitlich gekennzeichnet. Hinter E-Nummern können sich Farbstoffe, Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker und Süßstoffe verstecken. Viele Menschen assoziieren mit E-Nummern das Pestizid und Gift E 605 (Schwiegermuttergift). Dieses „E“ steht für „Entwicklungsnummer“ und hat mit Lebensmittelzusatzstoffen erfreulicherweise nichts zu tun. Mittlerweile verzichten viele Hersteller auf die Verwendung von E-Nummern in der Zutatenliste, um die Verbraucher nicht zu verunsichern. Sie verwenden das ausgeschriebene Wort und weichen möglichst auf Zutaten aus, die gut klingen. Hefeextrakt klingt besser als Geschmacksverstärker, ein färbender Pflanzenextrakt besser als ein Farbstoff.
    In einigen Fällen muss gar kein Zutatenverzeichnis angegeben werden, dazu gehören alkoholische Getränke und sehr kleine Verpackungen. Gerade Liköre und alkoholische Trendprodukte haben oft leuchtende Farben und kräftige Aromen, hier kann beliebig viel Chemie eingesetzt werden, der Verbraucher sieht es ja nicht.

Aroma
    Aromen geben Lebensmitteln einen bestimmten Geschmack und Geruch. Da man nur winzige Mengen dieser Stoffe benötigt, sind sie per se nicht gesundheitsschädlich. Trotzdem täuschen diese Stoffe: Ein Lebensmittel schmeckt nach etwas, das gar nicht oder nur in Spuren enthalten ist. Natürliche Aromastoffe könnten prinzipiell auch aus einem Misthaufen extrahiert werden, da der Gesetzgeber diesen Begriff weit gefasst hat. Erdbeeraroma wird aus Sägespänen gewonnen, Vanillearoma aus Lignin, einem Abfallstoff der Papierherstellung.
    Die meisten Aromen werden mit Hilfe speziell entwickelter Schimmelpilze und Bakterien gewonnen, unter Verwendung gentechnischer Methoden. „Natürliches Aroma“ klingt weit besser als die Realität: „Extrakt aus einer gentechnisch veränderten Bakterienkultur“. Die

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