Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
der nicht von den tragischen Ereignissen dieser Weihnacht des Jahres 1553 erfahren hätte, doch sind verschiedene Versionen im Umlauf, und ich will mich an die halten, die ich aus Cecilias Mund hörte. Während Valdivia mit seiner kleinen Streitmacht in Tucapel um das nackte Überleben kämpfte, war Juan Gómez in Purén eingeschlossen, wo die Mapuche sie belagerten, die schließlich am zweiten Weihnachtstag nichts mehr von sich sehen noch hören ließen. Der Morgen und ein Teil des Nachmittags vergingen in angespannter Erwartung, bis Juan Gómez es nicht mehr aushielt und mit einer kleinen Schar ausritt, den Wald zu erkunden. Nichts. Kein einziger Indio weit und breit. Da schwante ihm, daß die Belagerung des Forts eine List gewesen war, mit der sie in Schach gehalten und daran gehindert werden sollten, wie befohlen, zu Pedro de Valdivia zu stoßen. Während sie in Purén festgesessen hatten, erwartete der Gouverneur sie in Tucapel, und falls er dort angegriffen worden war, was zu befürchten stand,mußte man mit dem Schlimmsten rechnen. Ohne Zögern befahl Juan Gómez den dreizehn unverletzten Männern, die ihm geblieben waren, auf die besten Pferde zu steigen, und brach mit ihnen auf nach Tucapel.
Sie ritten die ganze Nacht hindurch und gelangten am Morgen in die Nähe des Forts. Vor sich konnten sie den Hügel sehen, Rauchsäulen auf der Kuppe, und dann tauchten Gruppen von Mapuche auf, die, berauscht vom Kampf und vom Muday, abgehackte Köpfe und Gliedmaßen von Menschen schwangen: die Überreste der am Vortag besiegten Spanier und Yanaconas. Voller Grauen erkannten die vierzehn Reiter, daß der Wald von Kriegern wimmelte, und dachten schon, ihnen blühe dasselbe Schicksal wie den Mannen Valdivias, aber die berauschten Eingeborenen feierten ihren Sieg und machten keine Anstalten, sie aufzuhalten. Die Spanier gaben ihren müden Pferden die Sporen, streckten die wenigen Betrunkenen, die sich ihnen in den Weg stellten, nieder und erreichten die Kuppe des Hügels. Das Fort war nur noch ein Haufen qualmender Holzscheite. Sie suchten unter den Leichen und zerstückelten Körpern nach Pedro de Valdivia, fanden ihn aber nicht. An einem Bottich mit schmutzigem Wasser stillten sie und die Pferde ihren Durst, doch für mehr blieb keine Zeit, denn schon drängten Tausende und Abertausende von Eingeborenen die Hänge hinauf. Das waren nicht die Betrunkenen, die sie eben gesehen hatten, diese traten nüchtern und in geordneten Reihen aus dem Wald.
Die Spanier, die sich in den Trümmern des Forts nicht verteidigen konnten und in der Falle gesessen hätten, bestiegen erneut ihre wackeren Pferde und preschten hügelabwärts, um sich einen Weg durch die feindlichen Linien zu schlagen. Im Nu waren sie von Kriegern umringt, und es begann ein Kampf, der ohne Atempause bis zum Abend fortdauerte. Es ist kaum zu glauben, daß Männer und Pferde, die eine ganze Nacht unterwegs gewesen waren, Stundeum Stunde im Gefecht dieses unseligen Tages bestanden, aber ich habe gesehen, wie die Spanier sich schlagen, habe selbst an ihrer Seite gekämpft und weiß, wozu wir fähig sind. Schließlich gelang es den Reitern um Juan Gómez, sich neu zu formieren, und dicht gefolgt von Lautaros Kriegern, flohen sie in den Wald. Die Pferde waren am Ende ihrer Kräfte, und umgestürzte Bäume und andere Hindernisse hemmten ihren Lauf, nicht aber den der Indios, die durch das Unterholz brachen und sich den Reitern in den Weg stellten.
Da entschieden diese vierzehn Männer, die tapfersten der Tapferen, einer nach dem anderen ihr Leben zu geben, um den Feind aufzuhalten und ihren Kameraden die Flucht zu ermöglichen. Sie sprachen sich nicht ab, warfen keine Münze, niemand gab ihnen den Befehl. Der erste rief den anderen einen letzten Gruß zu, parierte sein Pferd und ritt mitten hinein in die Schar der Verfolger. Grimmig ließ er den Degen auf sie niedergehen, entschlossen, im Kampf zu fallen, da sein Schicksal tausendmal schlimmer wäre, geriete er lebend in die Hand seiner Feinde. Im Nu wurde er von ungezählten Armen aus dem Sattel gezerrt und von den Degen und Dolchen durchbohrt, die einmal den besiegten Soldaten Valdivias gehört hatten.
Der kurze Moment, den der Held seinen Freunden geschenkt hatte, verschaffte diesen einen kleinen Vorsprung, doch der schmolz rasch dahin. Ein zweiter Soldat entschied, sich zu opfern, rief ebenfalls einen letzten Gruß und stellte sich der nach Blut lechzenden Masse der Indios entgegen. Und dann folgte ein dritter.
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