INFAM - Die Nacht hat tausend Augen (German Edition)
schließlich wollte sie zur Arbeit. Sie drehte sich zur Seite und zog den Bauch ein. Ja, ein paar Kilo weniger dürfen es wirklich noch werden. Ich nasche einfach zu gern . Sarah griff sich eine Parfümflasche, die auf einer Borte neben dem Spiegel stand, und sprühte sich einen Spritzer Lacoste Pour Femme auf die Bluse. In ihrer kleinen Küche schnappte sie sich den Katzennapf aus mattiertem Edelstahl, der auf dem Boden stand, und befüllte ihn mit Katzennassfutter mit Fischgeschmack, das zu Sushis Lieblingsspeisen zählte. Sarah ging ins Wohnzimmer und fütterte die Katze, als es an der Tür klingelte. Sie trat in den Flur und betätigte die Gegensprechanlage:
„Ja?“
„Ich bin es, Süße. Bist du bereit?“, fragte Denise.
„Hi, ja ich bin sofort unten.“ Sarah eilte ins Wohnzimmer, griff sich ihre Autoschlüssel vom Couchtisch und sagte zu Sushi, die sich gerade über ihre Fischhappen hermachte: „Halt die Stellung Schatzi und mach keinen Unsinn. Bis später.“
Nachdem sich Sarah ihre schwarze Jacke übergezogen, ihre Handtasche geschnappt und ihre Wohnung abgeschlossen hatte, huschte sie die Treppenstufen hinunter und trat nach draußen. Die kühle Abendluft, die ihr entgegenschlug, kündigte den nicht mehr allzu fernen Winter an. Es wurde bereits dunkel und es regnete leicht. Denise stand keine fünf Meter entfernt an eine Straßenlaterne gelehnt und lächelte sie an. Offenbar war sie beim Friseur gewesen, bemerkte Sarah. Sie trug ihre Haare jetzt kürzer und mit Pony. Sarah ging auf sie zu und ihr gab ihr ein Küsschen auf den Mund.„Was hast du denn heute noch vor? Du siehst so herausgeputzt aus. Man erkennt dich ja kaum wieder“, sagte Sarah.
Denise war stark geschminkt – schwarzer Lidstrich und Lidschatten, roter Lippenstift – und ihr Outfit – enge dunkle Jeans, noch engere schwarze Lederjacke und schwarze Pumps mit flachen Absätzen – wäre weitaus passender für eine Party gewesen, fand Sarah.
„Wer weiß, was uns dort erwartet. Vielleicht bekommen wir Gelegenheit, die Arbeit mit dem Vergnügen zu verbinden“, sagte Denise und zwinkerte.
„Mach dir mal keine falschen Hoffnungen. Wahrscheinlich erwartet uns ein anstrengender Pampersbomber, der uns den ganzen Abend auf Trab hält. Warst du eigentlich schon mal dort?“ Sarah ging in Richtung ihres dunkelblauen Ford Fiesta, der am Straßenrand parkte.
„Nein. Ich hab mich ja auch online auf die Stelle beworben und bisher nur einmal mit Mr. Ashmore telefoniert“, sagte Denise und folgte ihr.
Als sie eingestiegen waren, zog Sarah ihr Handy aus der Hosentasche und öffnete die App mit dem Navigationsgerät.
„Hältst du das bitte, während ich fahre? Die Adresse hab ich schon eingegeben.“
„Klar.“ Denise nahm das Handy und stellte das Radio an. Es lief „Euphoria“ von Usher und sie drehte die Lautstärke höher. „Partymucke!“ Denise lachte.
Sarah lächelte ebenfalls und startete den Wagen. „Hauptsache du verstehst die Stimme des Navis noch.“
„Ja ja, wir finden schon den Weg. Keine Angst Süße.“
3
Nachdem sie wenige Minuten durch den abendlichen Nieselregen gefahren waren und zahlreiche Häuser aus dem 18. Jahrhundert, Geschäfte, Bürogebäude sowie einige Museen hinter sich gelassen hatten, kamen sie an dem eleganten Dover Downs Hotel vorbei, das Sarah immer wieder an einen imposanten Palast erinnerte. Bunte Neonreklame spiegelte sich in den Schaufenstern des angrenzenden Casinos. Sarah drehte die Lautstärke des Radios ein wenig herunter.
„Ich wollte mir morgen übrigens das Sewell C. Biggs Museum of American Art mal ansehen. Die zeigen vor allem ornamentale Kunst, haben aber wohl auch interessante wechselnde Ausstellungen. Hast du Lust mitzukommen?“
„Mal schauen. Je nach dem, wie spät es heute wird und ob ich morgen Bock habe“, sagte Denise geistesabwesend und tippte etwas in ihr Handy.
Na Begeisterung sieht anders aus. Dann geh ich halt alleine hin. Ist vielleicht auch besser, dann hab ich mehr Zeit mir alles in Ruhe anzuschauen. Denise langweilt sich da sicher schnell.
Wenig später passierten sie den Gebäudekomplex der Delaware State University, an der Sarah seit dem Sommer studierte. Ihr Leben hatte sich zuletzt wirklich sehr zum Positiven entwickelt. Nach ihrem Umzug von New York nach Dover hatte sie ziemliche Bedenken gehabt, ob sie ihr Leben hier auf die Reihe kriegen würde. Diese erwiesen sich – zumindest bislang – allerdings als unbegründet. Sie fühlte sich
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