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Infantizid

Titel: Infantizid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Grit; Hoffman Bode-Hoffmann
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lassen, nach dem, was passiert war. Dem Dossier zufolge hatte die Zielperson Anfang des Jahres gesoffen wie ein Loch, und nur Hochprozentiges. Aber irgendwann hatte er, vermutlich in einem nüchternen Moment, nachgedacht und erkannt, dass er nicht alt werden würde, wenn es so weiterging. Urplötzlich fing er an, wie ein Wilder Sport zu treiben.
    Ich bin auf seinen Blick gespannt und darauf, was er sagt, wenn er mich sieht. Es ist jetzt über 22 Jahre her, dass wir uns das letzte Mal begegnet sind. Ich klingle einfach an seiner Tür und sage: ›Grüß dich, Klatt, alter Schwede!‹
    Er fuhr auf der dreispurigen Autobahn ganz links und verfluchte den beharrlich dichter werdenden Verkehr. Er drehte den Knopf seiner Innenraumheizung voll auf. Durch den stärker einsetzenden Nieselregen wurde die Sicht von Minute zu Minute schlechter. Die Frontscheibe seines Autos war von innen beschlagen. In einer abfallenden Kurve, kurz vor Jena, sah er die unzähligen roten Bremslichter viel zu spät. Im Bruchteil einer Sekunde, noch halb in seinen Gedanken versunken, versuchte er eine Vollbremsung, aber es war vergebens. Er schoss mit hoher Geschwindigkeit unter einen großen Laster. Unmittelbar danach krachte ihm von hinten ein Kleintransporter in das Heck. Das Auto des Mörders hatte nach dem Aufprall nur noch ein Drittel seiner ursprünglichen Größe.

    Das Wetter wurde von Tag zu Tag schlechter. In immer kürzeren Abständen trieb der Wind schwere, dunkle Wolken vor sich her. Die Temperatur sank stetig, der Herbst ging zu Ende. Bald würde der Regen in Schnee übergehen.
    Im Büro von Hauptkommissar Klaus Bräunig war es angenehm warm. Er war Leiter der Mordkommission und hatte den Tag damit verbracht, einige Studien über ungewöhnliche und nicht aufgeklärte Morde der vergangenen zwei Jahre in der gesamten Bundesrepublik zu betreiben. Dazu nutzte er das Intranet der Polizei. Vor einiger Zeit war in Berlin ein 40-jähriger Mann ohne jedes erkennbare Motiv auf eine sehr ungewöhnliche Art umgebracht worden. Die Obduktion ergab, dass er mit einem einzigen gezielten Schlag der Handballen von schräg unten an der Nase getroffen worden war. Das Nasenbein hatte sich bis in das Hirn geschoben, was ihn sofort getötet hatte. Seit über einem Jahr konnten die dortigen Kriminalbeamten keine nennenswerten Ermittlungsergebnisse vorweisen.
    Die anderen Mitarbeiter seiner Abteilung hatten sich wie jeden Freitag, wenn es nichts Dringendes zu tun gab, darum gekümmert, Akten und Vorgänge zu ordnen sowie die Diensträume zu reinigen. Aus Kostengründen wurden schon lange keine privaten Reinigungsfirmen mehr damit beauftragt.
    Klaus Bräunig war 41 Jahre alt, maß 1,85 Meter Körpergröße und wog 100 Kilo. Man konnte ihn nicht als fett bezeichnen. Im Gegenteil: Größe und Gewicht schienen optimal aufeinander abgestimmt zu sein. Er war kräftig und hatte dunkle, glatte, kurz geschnittene Haare. Seit ein paar Tagen ließ er sich einen Oberlippenbart wachsen. Seine Frau war der Meinung, es stünde ihm gut, es mache ihn etwas verwegener und männlicher. Nun ja. Da er seine Frau abgöttisch liebte, tat er ihr den Gefallen.
    Während der Aktenstudien vergaß er wie üblich, auf die Uhr zu schauen. Um kurz nach acht fiel sein Blick auf den aufgeschlagenen Terminkalender, der direkt vor ihm lag. Ganz fett hatte er den Tag markiert, um ihn ja nicht wieder zu vergessen, seinen Hochzeitstag! Er fluchte kurz, packte seine Sachen zusammen und eilte die Treppen hinunter. Er wollte zu Hause retten, was noch zu retten war.
    Gegen halb neun öffnete er die Tür seines Dienstwagens, um einzusteigen. Ihn fröstelte. Im selben Moment klingelte sein Handy.
    Bitte nicht jetzt, dachte Bräunig, als er die Nummer auf dem Display erkannte. Es war der Diensthabende der Polizeiinspektion. Er teilte ihm mit, dass ein Geldtransporter in unmittelbarer Nähe des Classic-Centers in Weimar unverschlossen aufgefunden worden war. Wie sonst üblich, waren aber keine gefesselten, verletzten oder getöteten Sicherheitsleute im oder am Fahrzeug. Stattdessen fand man beide ein Stück weiter entfernt in einer komischen Situation auf. Tot.
    Â»Was verstehen Sie unter einer komischen Situation?«, fragte Bräunig.
    Â»Keine Ahnung«, antwortete der Diensthabende. »Das waren genau die Worte, die mir der Kollege vor Ort übermittelte. Ich

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