Infantizid
immer ausgeglichen und lebensfroh.
»Schön, dass ihr noch kommen konntet«, begrüÃte Bräunig seine Mitarbeiter. Er erzählte den beiden kurz, was bis jetzt bekannt war.
»Sehr ungewöhnlich«, sagte Kratzenstein. »Ein Raubüberfall, nicht nach dem klassischen Muster, fast perfekt, würde ich sagen. Die Türen des Fahrzeugs waren beim Auffinden geschlossen, keine erkennbare Spur von Gewaltanwendung, als ob nichts passiert wäre. Ich wette, dass der oder die Täter das nicht zum ersten Mal gemacht haben.« Das sahen die anderen auch so.
Zwei Beamte der Autobahnpolizei waren schnell am Unfallort. Sie fuhren zufällig nur ein paar 100 Meter hinter dem verunfallten Fahrzeug des Mörders. Als sie es begutachteten, kamen sie zu dem Schluss, dass es wohl besser wäre, gleich den Leichenwagen anzufordern. In diesem Klumpen Blech konnte unmöglich jemand überlebt haben. Sie machten sich daran, die Unfallstelle zu sichern und Platz für die Rettungskräfte zu schaffen. Kurze Zeit später hörten sie die Sirenen der Feuerwehr und Rettungswagen. Minuten danach nahmen sie auch das laute Knattern des Rettungshubschraubers, der Bell-UH-1, wahr. Der grün lackierte Hubschrauber mit den leuchtroten Türen und den Buchstaben âºSARâ¹ darauf war äuÃerst robust er konnte sogar bei starkem Regen und in der Nacht fliegen.
Die ersten Feuerwehrleute machten sich sofort mit schwerem Gerät daran, Blechteile aufzuschneiden, um den Autofahrer zu bergen. Nach ein paar Minuten waren sie so weit, dass der Notarzt nach ihm schauen konnte. Die Polizisten konnten wegen der Landegeräusche des Hubschraubers nicht alles verstehen, was der Arzt rief, aber allem Anschein nach war der Fahrer noch am Leben.
Hubaczek und Kratzenstein bekamen von einem Polizisten, der aussah, als hätte er einen Nachttopf auf dem Kopf, eine Namensliste aller Halter der auf dem Parkplatz stehenden Autos. Diese legten sie dem Marktleiter vor und erfuhren, dass fast alle Wagenbesitzer in dem Center arbeiteten. Im Laufe der Jahre kannte man sich. Etwas Neues konnte er den beiden nicht erzählen. Er bestätigte nur noch einmal das, was er schon dem Polizisten erzählt hatte. Die befragten Angestellten konnten keinerlei Angaben zu dem Ãberfall machen, sie waren mit den Vorbereitungen für den Geschäftsschluss beschäftigt gewesen. Die Kriminalbeamten notierten sich dennoch alle Details. Danach suchten sie die ersten Wohnblocks auf. Es begann das lästige Klinkenputzen. Vielleicht hatte ja zufällig ein Rentner oder einer, der den lieben langen Tag die StraÃen und Leute vom Fenster aus beobachtete, um bei nächster Gelegenheit mit den Nachbarn tratschen zu können, etwas bemerkt.
In der Zwischenzeit erstattete der Gerichtsmediziner dem Staatsanwalt und Bräunig Bericht.
»Die Todeszeit lässt sich aufgrund der Aussagen des Marktleiters und der Zentrale der Sicherheitsfirma ziemlich genau bestimmen. Bei dem ersten Mann, der die Geldbomben aus dem Supermarkt holte, wurde äuÃere Gewalteinwirkung festgestellt. Ein Stich mit einem zweischneidigen Messer oder Ãhnlichem in die Herzgrube. Sofort tödlich. Bei dem anderen wurde der Kehlkopf zertrümmert. Auch sofort tödlich. Die Ursache ist wahrscheinlich ein Handkantenschlag oder so etwas. Sehr interessant ist die Art, wie sie gefesselt waren. So etwas habe ich zum ersten Mal gesehen. Eure Techniker können bestimmt später mehr dazu sagen. Den vollständigen Bericht bekommen Sie morgen früh.«
Damit verabschiedete sich der Gerichtsmediziner und machte sich auf den Weg in die Pathologie.
Bräunig sah Staatsanwalt Dr. Müller stirnrunzelnd an. Er kratze sich an seiner Oberlippe, der wachsende Bart verursachte ein Jucken.
»Wer überfällt einen Geldtransporter mit einem Messer und geht damit ein enormes Risiko ein, überwältigt zu werden, hat dann noch die Ruhe und Kaltschnäuzigkeit, beide Opfer wegzuschleppen, zu fesseln, wieder zurückzugehen und die Geldbeutel mitzunehmen?«
Dr. Müller hatte sich eben dieselbe Frage gestellt.
»Normalerweise ist eine Tötung mit einem Messer eine Affekthandlung. Ein Ãberfall mit einer Schusswaffe, einer Pistole etwa, geht viel schneller und ist wesentlich unblutiger. Vor allem ist das Risiko für den Räuber geringer, überwältigt oder zumindest attackiert zu werden. Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass
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