Inferno - Höllensturz
mächtiger sein als jede Frau vor dir in der Geschichte der Welt.«
»Ach spar dir das Gesülze!« Sie schob ihn an den Schultern auf den Ausgang zu.
»Gott verfluche dich«, erklang sein kristallenes Flüstern. Schwarze Funken schienen seinen Worten nachzufolgen.
»Na, das sagt ja der Richtige …« Damit stieß Cassie ihn aus dem Nektoport. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, ihm nachzusehen.
»Wie hebe ich den Lähmungszauber wieder auf?«, fragte sie.
Angelese verdrehte die Augen. »Du bist eine Tochter des Äthers. Warum, glaubst du wohl, sind all die Schergen rausgesprungen, als du es befohlen hast? Sie standen auch unter dem Bann.«
Meine Worte brechen den Zauber. Sie sah Angelese an und sagte: »Du bist nicht mehr gelähmt.«
Angelese stand auf. Sie sah ziemlich lädiert aus. Ihr Blut war auf ihrem Gewand getrocknet und hatte eine Art Batikmuster auf dem Stoff hinterlassen. Doch die Wunden begannen schon zu heilen.
»Ich würde dich gern fragen, ob alles in Ordnung ist, aber das wäre wohl eine ziemlich blöde Frage.«
»Mich hat’s schon schlimmer erwischt.«
»Ich sitze hier fest, oder?«
»Ja. Die Totenpässe sind alle durch die Verschmelzungen zerstört.«
Cassie lehnte sich an die schleimige Wand des Nektoports. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich meine, ich weiß, was ich tun sollte , aber ich weiß nicht, ob ich das kann.«
»Was wünschst du dir mehr als alles andere?«
Cassies Finger tasteten nach dem Medaillon. »Ich will meine Schwester wiedersehen.«
»Sie ist fort. Aber du weißt, wo sie ist, oder?«
»Ja.«
Der Engel grinste verschmitzt. »Warst du ein braves Mädchen?«
»Ich habe nie gestohlen, nie jemandem wehgetan, ich versuche, nicht zu lügen, ich versuche, zu jedem nett zu sein.« Ihr Verstand raste. Wer weiß? »Meine Güte, ich hab noch nicht mal richtig ernsthaft gefummelt!«
»Dann mach dir keine Sorgen.«
Cassies Herz pochte. »Was ist mit dir?«
»Mir geht’s gut.«
Cassie legte die Hand auf den Bauch und sah wieder über den Rand des Ausstiegs. Immer noch schwebten sie in den Wolken. Direkt unter ihr stand der massige Mephisto-Turm.
Mannomann .
»Ich werde wohl nie wieder Rob Zombie oder die Sisters of Mercy hören«, murmelte sie.
Angelese musste lachen. »Vermutlich nicht. Aber es gibt da oben viel Schöneres zu hören. Wundersame Dinge.«
Cassie wandte sich ein letztes Mal zu dem Engel um.
Angelese lächelte. Sie nahm ihren Tarnstein ab und sofort erstrahlte der Nektoport in einem hellen Leuchten. Doch selbst durch das blendende Licht hindurch konnte man ihr Lächeln noch erkennen, als Cassie aus den Nektoport sprang.
EPILOG
»Das ist doch Scheiße. Ich muss mir ein neues Revier suchen.«
Sie hieß Totty. Als sie hier nach einem Leben voller Ausschweifungen, Unbarmherzigkeit und Betrug ankam, war sie ein Mensch. Das ansprechende Äußere ihres sinnlichen Astralkörpers erregte rasch die Aufmerksamkeit des Constablerbüros, das sie sich unverzüglich vorknöpfte – aus geschäftlichen Gründen, versteht sich. Eine schlichte lykantropische Organvexation plus mehrere Transfigurationen, und schon war aus einer attraktiven Straßenhure aus dem Mission District von San Francisco eine attraktive Werwolf-Straßenhure in der Mephistopolis geworden. Totty war nun eine ausgewachsene, umwerfende, männermordende Vollblut-Lykanymphe.
»Verdammt, das Geschäft läuft beschissen«, beklagte sie sich bei einer halb geschmolzenen Frau in einem Stehcafé. »Ich hatte die ganze Nacht nur zwei Kunden, und beides waren Blowjobs. Dreckskerle, alles Geizkrägen.« Sie kaufte sich einen Becher heißes Rostwasser für ein McVeigh-Fünfcentstück. Furchtbar, aber wenigstens half es gegen den schlechten Geschmack im Mund. Der Geschmack von Menschen war ja schon schlimm genug, aber – igittigitt! – der von Trollen und Zombies war am allerschlimmsten.
»Ih weif waf du meinft«, murmelte die Kellnerin. »D-die F-f-fweppnetfe.«
Totty vermutete, dass sie die Schleppnetze meinte, und sie hatte Recht. Diese ewigen räumlichen Verschmelzungen fegten die Straßen leer. Es gab einfach keine Kundschaft mehr! Wie sie dem dürren rothaarigen Jungen neulich schon erzählte hatte. Was sollte ein Mädchen schon machen? Erotopathische Lykanymphen mussten schließlich auch ihre Rechnungen zahlen.
Ihr seidig blondes Fell schimmerte im Schwefellicht. Die Absätze klapperten auf dem Knochenmehlpflaster. All ihre acht Brustwarzen waren gepierct und glitzerten wie eine Girlande.
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