Anita Blake 02 - Bllutroter Mond
LAURELL K. HAMILTON
BLUTROTER MOND Ein Anita Blake Roman (02)
1
Das Haus von Harold Gaynor stand mitten auf einem saftig grünen Rasen, die Bäume zu beiden Seiten in einem anmutigen Bogen. Es leuchtete in der heißen Augustsonne. Bert Vaughn, mein Boss, parkte den Wagen auf dem Kies der Auffahrt. Der Kies war so weiß, dass er aussah wie handverlesenes Steinsalz. Von irgendwo hörte man das leise Prasseln eines Sprengers. Während einer der schlimmsten Dürren in Missouri seit über zwanzig Jahren war dieser Rasen absolut perfekt. Nun gut. Ich war nicht hier, um mit Mr Gaynor über Wasserwirtschaft zu plaudern. Ich war hier, um die Erweckung eines Toten zu besprechen.
Nicht Auferstehung. So gut bin ich nicht. Ich rede von Zombies. Den schlurfenden Toten. Nacht der lebenden Toten und dergleichen. Allerdings sind sie weniger dramatisch, als Hollywood sie bisher auf die Leinwand gebracht hat. Ich bin Animator. Das ist ein Beruf, weiter nichts, wie Verkäufer.
Tote erwecken ist erst seit fünf Jahren ein amtlich genehmigtes Gewerbe. Bis dahin galt es als Plage, als religiöses Experiment oder als Touristenattraktion. In einigen Stadtteilen von New Orleans ist das noch immer so, aber hier in St. Louis ist es ein Gewerbe. Und zwar ein einträgliches, was größtenteils meinem Boss zu verdanken ist. Er ist ein Halunke, ein Lump, ein Gauner, aber wie man Geld macht, weiß er. Das ist eine gute Eigenschaft für einen Geschäftsmann.
Bert ist einszweiundneunzig und breitschultrig, ein einstiger College-Football-Spieler mit beginnendem Bierbauch. Der dunkelblaue Anzug, den er anhatte, war maßgeschneidert, sodass der Bauch nicht auffiel. Für achthundert Dollar sollte der Anzug sogar eine Herde Elefanten kaschieren. Seinem weißblonden Haar hatte er einen Bürstenschnitt verpasst - nach all den Jahren nun wieder gepflegt. Zusammen mit der Segelbräune und den hellen Augen ergab das einen dramatischen Kontrast.
Bert rückte die blaurot gestreifte Krawatte zurecht und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. »In den Nachrichten habe ich gehört, dass es Bestrebungen gibt, Zombies auf pestizidverseuchten Feldern einzusetzen. Das würde Leben retten.«
»Zombies verwesen, Bert, es gibt kein Mittel, um das zu verhindern, und ihre Intelligenz hält sich nicht lange genug, als dass man sie als Feldarbeiter verwenden könnte.«
»Es ist nur eine Überlegung. Die Toten haben vor dem Gesetz keine Rechte, Anita.« »Noch nicht.«
Es war falsch, Tote zu erwecken, damit sie für uns Sklavenarbeit verrichteten. Einfach falsch, aber auf mich hörte ja niemand. Irgendwann musste die Regierung handeln. Es wurde eine landesweite Kommission aus Animatoren und anderen Experten gebildet. Wir sollten die Arbeitsbedingungen der örtlichen Zombies prüfen.
Arbeitsbedingungen. Sie verstanden das gar nicht. Einer Leiche kann man keine freundlichen Arbeitsbedingungen einräumen. Sie wissen es ohnehin nicht zu schätzen. Zombies können wohl laufen, sogar sprechen, aber sie sind sehr, sehr tot.
Bett lächelte mich nachsichtig an. Ich bekämpfte den Drang, ihm eine gerade Rechte in das selbstgefällige Gesicht zu pflanzen. »Ich weiß, dass Sie und Charles in dieser Kommission mitarbeiten«, sagte er. »In die Firmen rennen und die Zombies überprüfen. Das gibt großartige Presse für Animators, Inc.«
»Ich tue das nicht für gute Presse«, erwiderte ich. »Ich weiß. Sie glauben an diese kleinen Dinge.« »Sie sind ein arroganter Mistkerl«, sagte ich süß lächelnd. Er grinste mich an. »Ich weiß.«
Ich schüttelte nur den Kopf; gegen Bert kann man beim Wettbeleidigen wirklich nicht gewinnen. Es kümmert ihn nicht im Geringsten, was ich von ihm halte, solange ich für ihn arbeite.
Meine marineblaue Kostümjacke sollte sommerlich leicht sein, aber das war gelogen. Der Schweiß rann mir die Wirbelsäule hinunter, seit ich aus dem Wagen gestiegen war.
Bert drehte sich zu mir um und kniff die Augen zusammen. Sie eigneten sich hervorragend für misstrauische Blicke. »Sie haben Ihre Waffe noch um«, stellte er fest.
»Unter der Jacke sieht man sie nicht, Bert. Mr Gaynor wird es nie erfahren.« An den Riemen meines Schulterholsters sammelte sich der Schweiß. Ich konnte spüren, wie die Seidenbluse langsam schmolz. Normalerweise versuche ich, Seide und Schulterriemen nicht zur selben Zeit zu tragen. Die Seide wird zerdrückt und unter den Riemen faltig. Die
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