Inferno - Höllensturz
gestützt in seinem Krankenhausbett auf, krümmte sich kurz, als ein stechender Kopfschmerz einsetzte, und sah dann Colin an. »Wie um Himmels willen konnte ich eine solche Kugel in den Kopf überleben? Das Schädeltrauma hätte letal sein müssen. Der Mann im Waffenladen hatte gesagt, die Munition würde einem den ganzen Kopf wegblasen.«
»Walter, du bist ein Supertrottel«, entgegnete Colin. »Ich war im Wohnheim, als die Sanitäter ankamen. Du hättest dich mal sehen sollen, du sahst völlig lächerlich aus.«
» Was ?«
»Du hast dich nicht in den Kopf geschossen, Walter. Du hast das Gewehr falsch gehalten, es muss nach oben verrutscht sein, als du abgedrückt hast. Die Kugel hat nur deinen Kopf gestreift, du Schwachkopf. Alles, was die Kugel gemacht hat, war eine Schneise in deine Haare zu schlagen.«
Walter tastete seinen Kopf ab. Er trug einen dicken Verband. Dann fiel er zurück aufs Bett, den Tränen nah. Ich kann einfach nichts richtig machen …
»Du hättest mich anrufen sollen«, schimpfte Colin weiter. Er stand auf, schritt durch den Raum und bugsierte einen Rollstuhl seitlich um das Bett herum. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du dich umbringen willst. Das ist meine Schuld. Du hättest beinahe alles versaut.«
Walter verstand Colins letzten Kommentar nicht, aber er hörte ohnehin nicht richtig zu. Er hatte wegen Candice versucht, sich umzubringen, aber was war jetzt passiert?
»Ach, komm schon, Bruderherz. Es wird Zeit für Walter.«
Walter sah überrumpelt den Rollstuhl an. »Ich kann doch noch nicht gehen, oder? Lassen mich die Ärzte schon so bald hier raus?«
»Klar.« Ein seltsames Lächeln lag auf Colins Lippen. »Ich habe schon mit ihnen gesprochen. Ich hab dich entlassen.«
Das klang nicht richtig, aber Walter konnte ja wohl schlecht etwas dagegen einwenden. Es kam ihm einfach komisch vor, dass man ihn ohne Abschlussuntersuchung entließ. Er hatte immerhin gerade versucht, sich umzubringen. Musste er nicht mit einem Psychologen sprechen?
»Beweg deinen Arsch in den Rollstuhl. Die Limo wartet draußen. Wahrscheinlich hast du die nächsten paar Tage höllisches Kopfweh …« Colin reichte ihm eine Tablette und einen Becher Wasser. »Nimm die.«
Walter widersprach nicht. Sein Kopf tat wirklich weh, was an sich nachvollziehbar war. Er schluckte die Tablette und ließ sich danach unbeholfen von Colin in den Stuhl helfen.
Plötzlich wurde ihm schwindlig, er fühlte sich leicht benommen. Er wollte nur noch schlafen. Als Colin ihn hinaus auf den Gang schob, nuschelte Walter matt: »Hey, Colin? Bist du sicher, dass der Arzt einverstanden ist, wenn ich schon so früh nach Hause gehe?«
»Aber klar, Brüderchen. Alles ist geregelt.«
»Aber … muss man nicht irgendwelche Entlassungspapiere unterschreiben?«
Ein Tätscheln an der Schulter beruhigte ihn. »Hat alles seine Ordnung. Entspann dich einfach, und lass mich dich hier wegbringen. Wir haben eine Menge zu besprechen.«
»Mhm«, machte Walter. Diese Tablette machte ihn unheimlich schläfrig, immer wieder nickte er kurz ein. »Worüber … worüber müssen wir den sprechen, Colin?«
»Dein Schicksal«, gab Colin zurück.
Die Worte schreckten Walter auf, doch nur für einen kurzen Augenblick. Das Medikament zog ihn hinab in eine süße, friedliche Bewusstlosigkeit. Er schlief schon beinahe wieder, bevor er irgendetwas Konkretes auf dem Gang erkennen konnte. Doch als gewisse Details sich träge in sein Gesichtsfeld schoben, bemerkte er, dass die Aussicht tatsächlich sehr seltsam war.
Rote Spritzer glänzten auf den sauberen weißen Wänden. Walter ließ seinen Kopf von einer Seite zur anderen rollen, dann nach unten …
Ich muss halluzinieren , dachte er. Von der Tablette.
Dennoch: was er da sah, während sein Bruder ihn pflichtbewusst im Rollstuhl über den Gang schob, waren …
Lauter tote Leute?
Jeder in diesem Flügel des Krankenhauses war tot … oder zumindest sah es für Walters trüben Blick so aus. Jeder. Jeder Arzt, jede Schwester, jeder Patient. Jede Putzfrau und jeder Wachmann. Auch jeder im Wartezimmer lag auf der Seite, tot.
Überall war Blut, als hätte jemand die Wände absichtlich damit beschmiert, und auch der Fußboden glänzte unter einer frischen Scharlachrot-Lackierung.
»Ich halluziniere, Colin.« Walter musste sogar kichern bei dieser unmöglichen Vorstellung. »Die Tablette knallt echt rein.«
Der Rollstuhl glitt gleichmäßig weiter. Irgendwie beruhigend, tröstlich. »Was siehst du denn,
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