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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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sich die Tränen mit dem Handrücken ab und sah durch die Linsen. Vier leuchtend gelbrote Lichtblitze, jeder einzelne so groß wie ein Tornado, pulsierten weit entfernt am nächtlichen Himmel. Als Cassie das Fernglas etwas nach unten richtete, sah sie ihren Ausgangspunkt: Das Atrozeum …
    »Wir müssen jetzt aufwachen, Cassie«, sagte Angelese. »Sie fangen gleich mit der räumlichen Verschmelzung an …«

KAPITEL ZEHN

I
    Sarajevo, 1993

    Die Scharfschützen waren beide klinische Soziopathen; viele von Milosevics Spezialeinheiten und paramilitärischen Soldaten waren das. Es war brillant. Eingecheckt hatten sie in Anzügen und mit sorgfältig gefälschten Ausweispapieren, die sie als albanische Textilkaufleute auswiesen. Der »Aufklärer« baute seinen Beobachtungsposten in dem alten Hotel auf der anderen Straßenseite des Zielgeländes auf. Als Allererstes maß er die derzeitige Lufttemperatur im Raum. Warum? Weil Variationen in der Treibstofftemperatur die Flugbahn der Projektile beeinflussen konnten. Diese beiden Männer wussten genau, was sie taten. Ironischerweise stammten die Waffen, die serbische Undercoveragenten für sie versteckt hatten, beide aus Amerika – ein M-40A1 Scharfschützengewehr und ein M-79 Granatwerfer -, vom serbischen Materialkommando eingetauscht gegen russische ACRID Luft-Luft-Raketen-Baupläne, die wiederum aus dem Afghanistankrieg übrig geblieben waren. Einige dieser Waffenschmuggler sollten später Mitglieder einer politischen Gruppierung werden, die sich Taliban nannte.
    Scharfschütze Eins lud das Integralmagazin mit fünf speziellen Magazinen Kaliber 7,62 x 51 mm, gefüllt mit einer geringeren Menge Treibladungsmittel als üblich. Dadurch würde die Initialgeschwindigkeit im Lauf auf etwas weniger als Schallgeschwindigkeit reduziert, wodurch ein geräuschloser Schuss durch den Kammerschalldämpfer entstand, der auf das Ende des Laufs geschraubt wurde. Das zehnfache Unertl-Zielfernrohr war bereits eigens für das Auge von Scharfschütze Eins auf ein Militärgelände in der Vojvodina-Ebene eingestellt worden.
    »Ich bin so weit«, sagte er sehr leise.
    »Ich aber nicht«, entgegnete Scharfschütze Zwei. Er packte vier 40mm-Projektile für den M-79 aus. Zwei davon waren Brandgranaten, voll mit weißem Phosphor, die anderen beiden waren APERS, was für Antipersonen stand. Man nannte sie auch »Flechette«; ein mit Metallstacheln gefülltes Geschoss, die absichtlich rostig und mit Exotoxinen verseucht waren.
    »Du wirst keine Zeit für alle vier haben«, erklärte Scharfschütze Eins. »Nur für zwei.«
    »Das weiß ich. Ich bin nicht sicher, welche ich nehmen soll, aber ich mag Willy Pete«, gab Scharfschütze Zwei zurück, während er eine Phosphorgranate in der Hand wog. »Sie verbrennen seit fünfhundert Jahren unsere Kinder. Ich will ihre verbrennen.«
    »Amen.«
    Scharfschütze Zwei würde nur zwei Granaten abschießen und Scharfschütze Eins fünf Magazine. Sie mussten ihre Zielobjekte angreifen und wieder verschwinden, alles innerhalb von fünfzehn Sekunden. Sie hatten das schon fünfmal zusammen gemacht und dabei spektakuläre Erfolge erzielt.
    Und sechs ist ihre Glückszahl. Die unvollkommene Zahl , dachte Luzifer. Der Morgenstern und ein Oni standen hinter den Männern, beide unsichtbar durch die allerneueste Astrale Retrogation. Der Oni hielt eine Ruhmeshand, an deren Fingerspitzen Flammen züngelten wie an Kerzendochten. Frisch abgetrennt und sorgfältig mit Zauberformeln präpariert gewährte ihnen die Ruhmeshand vollkommene Unsichtbarkeit; zusätzlich machte ein Sprachzauber die Stimme Luzifers geräuschlos. Alles, was er sagte, wurde telepathisch als vermeintlich eigene Gedanken in die Köpfe der Scharfschützen transportiert.
    »Christus, ich hoffe, wir überleben das«, meinte Scharfschütze Zwei im Plauderton, während er den Granatwerfer hob. »Ich will zurück ins Lager.«
    »Da kommen wir schon wieder hin. Das hab ich im Gefühl. Beim letzten Mal hatte ich zehn Stück in nur zwei Tagen, junge Dinger, richtig hübsch.«
    Satan musste lächeln. Vergewaltigungslager. Vergewaltigung war ein wichtiger Bestandteil des Feldprotokolls aller Sicherheitstruppen und Spezialeinheiten von Milosevic. Umzäunte Gelände mit Zelten als Baracken beherbergten Mädchen und Frauen, manche sogar Kinder; die Kampftruppen wurden durch diese Camps geschleust, um sexuelle Spannungen abzubauen. Wenn die Opfer schwanger wurden, schickte man sie oft zurück in ihre Heimatprovinzen, wo sie

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