Inferno - Höllensturz
von Cassie entfernt auf der Straße. Es machte einen Satz nach vorn, die Klauen ausgestreckt, doch Cassie sah es nur an und dachte: Verbrenne zu Asche . Und der Gargoyle explodierte. Schwarzer Rauch stieg auf. Das Untier war tot, bevor es auch nur quieken konnte, und eine Sekunde später verloschen die Flammen, und es blieb nur ein Haufen Asche übrig.
Grüner Nebel wälzte sich die enge Straße hinunter. Durch den Nebel hindurch konnte sie Scheinwerfer erkennen, und da klapperte auch schon ein Dampfauto vorbei. Auf der Seitentür stand CONSTABLER-HÄUTUNGSDIVISION. An Ketten, die mittels Haken am hinteren Ende des Gefährts befestigt waren, wurden zwei nackte Menschen und ein nackter Troll hinter dem Gefährt hergeschleift. Man würde sie losmachen, sobald die rauen Sandsteine der Straße ihnen den Großteil der Haut abgeschürft hatten. In einem Hauseingang kicherten zwei grauhäutige Dämonenkinder, während sie sich mit einer rostigen Rasierklinge die Haut in Streifen schnitten. Auf dem Querbalken über der Tür konnte man lesen: EPIDERMOMANT: WIR KAUFEN IHRE HAUT.
Cassie ging weiter, mit jedem Schritt den Nebel zerteilend. Sie war schon einmal hier gewesen, doch sie hatte noch nie die gesamte Straße so gesehen wie jetzt. Sie wusste, dass dies ein Traum war, doch sie wusste auch, dass ihre Träume sich mit der Realität mischen konnten, weil sie eine Tochter des Äthers war. Dies war teils Traum, teils psychischer Channel. Eine Bapho-Ratte rannte über die Straße; sie konnte den Strudel sehen, den sie unter dem Nebel verursachte. Cassie dachte: Zerplatze .
Schon folgte das erwartete feuchte, zischende Geräusch. Der Strudel im Nebel hörte auf, bräunliches Blut spritzte in hohem Bogen durch die Luft. Nebel lichte dich , dachte sie nun, los . Sofort wurde der Nebel aus der Straße gesaugt wie von einer Windhose, doch da war kein Wind. Es war nur die Kraft ihrer Gedanken, ihre Macht als Tochter des Äthers.
Da waren noch mehr Dämonenkinder, die neben einer Mülltonne voller menschlicher Körperteile spielten. Eine üppige Lykanymphe lockte an der nächsten Ecke Kundschaft an, ihr champagnerblonder Pelz glänzte. »Komm schon, Süßer«, gurrte sie einen plumpen Imp mit hölzernem Gesicht an. »Fünfzig Höllendollars für Blasen und Ficken.«
»Du spinnst wohl!«, entrüstete sich der Imp. »Du frisst mich doch auf, wenn wir fertig sind! Verrückte Werwolf-Schlampe!«
Durch ein Fenster sah Cassie einen Mann, der über und über von Blutegeln bedeckt war. Er ächzte erleichtert, als er sich mit einem Rückenkratzer am Steiß kratzte. Wie nett , dachte Cassie angewidert. Der Rückenkratzer war ein abgetrennter Arm an einem Stecken.
»Menschenburger?« Ein Troll stand an seinem Verkaufsstand. Blasse Pasteten brutzelten auf einem faulig riechenden Grill. Immer wenn die Hitze einen der parasitären Würmer aus einem Stück Fleisch trieb, drückte der Verkäufer ihn mit seinem schmutzigen Finger wieder hinein. »Bleibt bloß da drin, ihr kleinen Racker. Ihr seid doch das Beste daran.« Seine Augen sahen aus wie halbierte hart gekochte Eier. »Wie wär’s mit ein bisschen Geschnetzeltem von der Ghulmilz? Schmeckt echt super, fast wie Rühreier.«
»Ich bin Vegetarierin!«, brüllte Cassie zurück und ging hoch erhobenen Hauptes weiter.
Doch was tat sie hier? Ach ja, sie war ja nicht wirklich hier, sie channelte nur durch einen Traum. Doch selbst in ihrem Traum vergaß sie nicht ihren Auftrag. Sie war nicht aus freien Stücken ein Ätherkind; es war eine Macht, die ihr gegen ihren Willen verliehen worden war, ausgelöst durch den Selbstmord ihrer Schwester. Und das war auch der einzige Grund, warum Cassie in die Mephistopolis zurückkehren wollte.
Ich muss Lissa finden …
Doch bisher hatte sie nichts als immer noch mehr Entsetzen gefunden, noch mehr Ausbeutung, noch mehr Sadismus, noch mehr Grausamkeit. Nun kam sie an einer Backsteinkirche mit einem umgekehrten Kreuz im Turm vorbei. Die bunten Glasfenster zeigten pastorale Landschaften, in denen schreiende schwangere Frauen Dämonen auf die Welt brachten und lächelnde Bauern dabei zusahen. Im Eingang stand eine Schüssel auf einem Gestell, wie man es in einer normalen Kirche für Weihwasser kannte; doch diese Schüssel war mit dunklem Blut gefüllt. Ein rascher Blick durch den Türbogen zeigte Cassie, dass innen gerade ein Opfer auf dem Altar dargebracht wurde, begleitet von Gesang.
»Wenn ich mir den Fuß abschneide, kaufen Sie ihn mir ab?«, fragte
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