Inferno
habe ich den Verlockungen des Stolzes nachgegeben, und das nur, um sicherzustellen, dass die Welt von meinem Werk erfährt.
Warum auch nicht?
Die Menschheit soll wissen, wem sie ihre Erlösung zu verdanken hat. Sie soll den Namen dessen kennen, der die Höllentore für immer verschlossen hat!
Jede vergehende Stunde führt das Resultat immer sicherer herbei. Die Mathematik ist unerbittlich, ihre Ergebnisse nicht verhandelbar. Die gleiche exponentielle Blüte des Lebens, die die Menschheit fast getötet hätte, wird auch ihre Erlösung sein. Die Schönheit eines lebenden Organismus’ – egal ob gut oder böse – liegt darin, dass er dem Gesetz Gottes mit einzigartiger Treue folgt.
Seid fruchtbar und mehret euch.
Und so bekämpfe ich Feuer … mit Feuer.
»Das reicht«, sagte der Provost so leise, dass Knowlton ihn kaum hörte.
»Sir?«
»Halten Sie das Video an.«
Knowlton klickte auf Pause. »Sir, der richtig furchterregende Teil kommt erst noch.«
»Ich habe genug gesehen.« Der Provost wirkte, als sei ihm schlecht. Er ging mehrmals in der kleinen Kabine auf und ab, dann fuhr er unvermittelt herum. »Wir müssen Kontakt zu FS -2080 aufnehmen.«
Knowlton dachte darüber nach.
FS -2080 war der Codename für eine der vertrauenswürdigsten Kontaktpersonen des Provosts – dieselbe Kontaktperson, die dem Konsortium Zobrist als Klienten zugeführt hatte. Ohne Zweifel bereute der Provost in diesem Moment, sich auf FS -2080 verlassen zu haben. Bertrand Zobrist hatte nichts als Chaos in die akribisch strukturierte Welt des Konsortiums gebracht.
FS -2080 ist der Grund für diese Krise.
Die Probleme wegen Zobrist schienen immer dramatischer zu werden, nicht nur für das Konsortium … die ganze Welt war betroffen.
»Wir müssen seine wahren Absichten herausfinden«, erklärte der Provost. »Ich will wissen, was er erschaffen hat und ob diese Bedrohung echt ist.«
Knowlton wusste, dass nur eine Person diese Fragen beantworten konnte: FS -2080. Niemand kannte Bertrand Zobrist besser. Es war an der Zeit, das Protokoll zu brechen und nachzusehen, welchen Irrsinn das Konsortium im Verlauf des letzten Jahres gedeckt hatte.
Knowlton überlegte, welche Folgen eine direkte Konfrontation von FS -2080 nach sich zögen.
»Sir«, sagte er. »Die Kontaktaufnahme zu FS -2080 birgt gewisse Risiken. Sie sollten vorsichtig sein.«
Ärger flackerte in den Augen des Provosts auf, als er sein Mobiltelefon zückte. »Für Vorsicht ist es ein wenig spät.«
Der Mann mit der Plume-Paris-Brille und der Paisley-Krawatte saß mit seinen beiden Reisegefährten im Privatabteil des Frecciargento und versuchte, den Ausschlag zu ignorieren. Der Juckreiz hatte – wie auch der Schmerz in seiner Brust – deutlich zugenommen.
Als der Zug den Tunnel verließ, blickte der Mann zu Langdon, der langsam die Augen öffnete. Offenbar war der Professor in Gedanken gewesen. Neben ihm schickte Sienna sich an, das Handy zu ergreifen; sie hatte es auf den Tisch gelegt, als der Zug in den Tunnel eingefahren war. Anscheinend wollte sie ihre Internetrecherche fortsetzen. Bevor sie es greifen konnte, vibrierte und klingelte das kleine Gerät.
Der Mann mit dem Ausschlag erkannte den Klingelton sofort. Er nahm das Telefon, warf einen kurzen Blick auf das Display und bemühte sich, seine Überraschung zu verbergen.
»Tut mir leid«, sagte er und erhob sich. »Meine Mutter ist erkrankt. Bitte entschuldigen Sie mich kurz.«
Sienna und Langdon nickten verständnisvoll. Der Mann verließ die Kabine und eilte durch den Gang zur nächsten Toilette.
Er schloss die Toilettentür hinter sich ab, bevor er den Anruf entgegennahm. »Hallo?«
Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang ernst. »Provost hier.«
KAPITEL 65
Die Toilette des Frecciargento war winzig – nicht größer als in einem Passagierflugzeug. Man hatte kaum Platz, sich umzudrehen. Der Mann mit dem Ausschlag beendete sein Gespräch mit dem Provost und steckte das Telefon wieder ein.
Plötzlich ist alles anders , wurde ihm bewusst. Er brauchte einen Moment, um sich über die Konsequenzen klar zu werden.
Meine alten Freunde sind jetzt meine Feinde .
Der Mann lockerte seine Paisley-Krawatte und starrte in das pustelübersäte Gesicht im Spiegel. Er sah schlimm aus. Doch das bereitete ihm weniger Sorge als der Schmerz in seiner Brust.
Zögernd öffnete er mehrere Knöpfe seines Hemds.
Er zwang sich, in den Spiegel zu sehen … und seinen nackten Oberkörper zu betrachten.
Himmel!
Der
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