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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Gfrerer
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fünf Stunden Schlaf – das wird morgen wieder knapp.« Doch beim Blick auf den Stundenplan entspannte sich ihre Miene schnell. Vierstündiger Schwerpunkt »Ästhetik – Bildnerische Erziehung«. Letztes Mal waren sie gerade dabei gewesen, ihr persönliches Wahrnehmungstagebuch anzulegen. Sie hatte ein Bild aus einem Traum zu malen begonnen, der seit mehreren Jahren immer wiederkehrte. Darin befand sie sich in einer unbekannten, bunten Welt. Exotische Wesen sprangen, flatterten und krochen um sie herum. Sie hörte fremdartige Laute, die nach einer Sprache klangen, die sie aber nicht verstand. Manchmal kletterte eines der Wesen an ihr hoch. Doch immer, wenn sie die Hand ausstreckte, um es zu berühren, entwischte es ihr und verwandelte sich in ein neues Wesen, das noch seltsamer aussah als das vorherige. Nie bekam sie eines zu fassen. In ihrem Traum wusste sie, dass sie von jemandem erwartet wurde. Doch sie bekam ihn nie zu Gesicht. Jedes Mal, wenn sie zu dem Haus kam, in dem sie ihn treffen sollte, wurden die Bilder blass und verschwammen zu einem bunten abstrakten Gemälde …
    Klara gähnte herzhaft und blinzelte sich aus der Erinnerung in ihr Zimmer zurück. Frierend rieb sie sich die Gänsehaut von den Oberarmen. Die Heizung hatte schon auf Nachtbetrieb umgeschaltet. Wenn sie morgen mit ihrem Bild weiterkommen wollte, musste sie schleunigst ins Bett. Auf Zehenspitzen huschte sie ins Bad und begnügte sich mit einer Katzenwäsche, bevor sie sich unter der Daunendecke verkroch.

    Ein flauschweiches Tier mit langem buschigem Schwanz krabbelte neben ihrem Kopf aufs Kissen und starrte sie aus schwarzen, weit hervorstehenden Kugelaugen an. Schwerfällig streckte sie die Hand aus. Was bist denn du für ein Süßer! Geh nicht wieder weg … Aber das Wesen löste sich auf und verschwand, bevor sie das seidig glänzende Fell berühren konnte …
    Stattdessen rüttelte sie jemand an der Schulter und verkündete mit schmerzhaft lauter Stimme, dass es höchste Zeit war, aufzustehen. Klara stöhnte. Sie hatte den Eindruck, eben erst eingeschlafen zu sein. Aber in der Früh war ihre Mutter besonders gnadenlos. Klara ergab sich und stellte sich unter die heiße Dusche. Während der Strahl langsam ihre Haut rosarot färbte, schloss sie noch einmal die Augen und rief sich die vergangenen Traumbilder in Erinnerung. Es wurmte sie, dass ihr Unterbewusstsein diesen geheimnisvollen Jemand nicht freigab.
    »Ich werd noch zum Psycho-Freak«, brummte sie und drehte mit einem Seufzer den Wasserhahn zu.
    Der Ruf ihrer Mutter klang schon gefährlich nach Stufe drei. Bei vier war das Frühstück gestrichen. Sie schüttelte den Kopf, dass die Tropfen aus ihren Haaren gegen den Spiegel spritzten, und schlüpfte rasch in ihre Wäsche. Deswegen aufs Frühstück zu verzichten, war die Sache in keinem Fall wert. So interessant konnte der Typ aus dem Traum gar nicht sein.

_ 4 _

    Es sollte keine Bilder geben. Keine Beweise. Nur Fakten und Zahlen. Aber die meisten Menschen verstehen sowieso nichts davon, welches Wunder sie erwartet. Was das Leben für sie bereithält, wenn unsere Arbeit erfolgreich beendet ist. Sie schauen Bilder an und sehen nur Äußerlichkeiten. Babys. Kinder. Menschen am Anfang ihres Lebens. Hilflos unserer Willkür ausgeliefert. So würden sie krakeelen, wenn sie wüssten, was wir hier tun.
    »Manchmal frage ich mich schon, ob es überhaupt sinnvoll ist, den Menschen dieses Geschenk zu machen. Oder findest du, dass sie es verdient haben?«
    Seine feuchte Schnauze stupst gegen meine Stirn. Genau zwischen die Augen. Als wüsste mein Kleiner, was ich gerade denke.
    »Die meisten wahrscheinlich nicht. Aber trotzdem … da gibt es eine … für die hat sich das alles hier gelohnt.«
    Da ist es wieder, dieses Brennen in der Brust. Immer, wenn ich an sie denke, passiert das mit mir. Oder wenn ich mir die Bilder anschaue. Die es eigentlich nicht geben dürfte. Wenn Papa mein Album fände, wäre er wahnsinnig sauer. Er würde nicht verstehen, warum ich das gemacht hab.
    Er hat’s gut. Er hat Erinnerungen. An eine Frau. An die Liebe. Er weiß, was das ist. Ich seh mein Gesicht in der silbernen Abdeckung der Zentrifuge. Meine Nase ist in die Länge gezogen, die Augen sitzen viel zu weit auf der Seite in einem Gesicht, das aussieht, wie ein weißer, platt gedrückter Luftballon voller Sommersprossen. Strohfarbene Haarbüschel wachsen an einer Seite mit dem graubraunen, flaschenförmigen Körper zusammen, der sich weich an Hals und Wange

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