Inka Gold
Männer beunruhigend wirkte, zumal sie ihnen mit herausfordernder Keckheit in die Augen blicken konnte. Sie hatte glattes, mittelblondes Haar, das mit einem roten Tuch zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war, und ihr Gesicht sowie Arme und Beine waren tief gebräunt. Sie trug einen Badeanzug aus schwarzem Lycra, der ihre üppige, an eine Sanduhr erinnernde Figur bestens zur Geltung brachte, und bewegte sich so fließend und anmutig wie eine balinesische Tempeltänzerin.
Dr. Kelsey, mittlerweile Ende Dreißig, war vor über zehn Jahren der faszinierenden Kultur der Chachapoyas erlegen. Auf fünf früheren Expeditionen hatte sie bereits bedeutende archäologische Fundstätten erkundet und erforscht und eine Anzahl großer Bauwerke und Tempel vom alles überwuchernden Pflanzenbewuchs befreit. Als angesehene, auf andine Kulturen spezialisierte Archäologin hatte sie sich voller Leidenschaft dem Aufspüren von Überbleibseln einer ruhmreichen Vergangenheit verschrieben. Ihre derzeitige Arbeit an einem Ort, der Blüte und Niedergang eines rätselhaften und längst vergessenen Volkes bezeugt hatte, war durch ein Stipendium der archäologischen Fakultät der University of Arizona ermöglicht worden.
»Sinnlos, eine Videokamera mitzunehmen, es sei denn, das Wasser wird nach zwei Metern klarer«, sagte Miles Rodgers, der Fotograf, der das Unternehmen filmisch begleitete.
»Dann nimm wenigstens einen Fotoapparat mit«, sagte Shannon entschieden. »Ich möchte Aufzeichnungen von jedem Tauchgang, egal, ob wir weiter als bis zu unserer Nasenspitze sehen können oder nicht.«
Der neununddreißigjährige Rodgers, ein Mann mit üppigem schwarzem Haar und Bart, war ein altgedienter Profi auf dem Gebiet der Unterwasserfotografie. Seine Unterwasseraufnahmen von Fischen und Korallenriffen waren bei sämtlichen großen Wissenschafts- und Reisemagazinen begehrt. Seine außergewöhnlichen Bilder von Schiffswracks aus dem Zweiten Weltkrieg, die im Südpazifik lagen, und uralten, versunkenen Häfen im Mittelmeerraum hatten ihm zahlreiche Preise und die Achtung seiner Kollegen eingetragen.
Ein großer, schlanker Mann um die Sechzig mit einem silbergrauen Bart, der sein halbes Gesicht bedeckte, hielt Shannons Preßluftflaschen, so daß sie die Arme durch die Schultergurte der Tragevorrichtung stecken konnte. »Ich wünschte, Sie würden damit warten, bis wir mit dem Bau des Tauchschlittens fertig sind.«
»Das dauert noch zwei Tage. Wenn wir jetzt eine Voruntersuchung durchführen, sparen wir Zeit.«
»Dann warten Sie wenigstens, bis die anderen Taucher von der Universität eintreffen. Wenn Sie und Miles in Schwierigkeiten geraten, kann Ihnen niemand helfen.«
»Keine Sorge«, sagte Shannon entschlossen. »Miles und ich wollen nur einen kurzen Tauchgang unternehmen, um die Tiefe und die Wasserverhältnisse zu erkunden. Wir werden nicht länger als dreißig Minuten unter Wasser sein.«
»Und gehen Sie auf keinen Fall tiefer als fünfzehn Meter«, ermahnte sie der Ältere.
Shannon lächelte ihren Kollegen Dr. Steve Miller von der University of Pennsylvania an. »Und wenn wir nach fünfzehn Metern nicht auf Grund stoßen?«
»Wir haben fünf Wochen Zeit. Es besteht keinerlei Anlaß, zappelig zu werden und einen Unfall zu riskieren.« Millers Stimme war tief und ruhig, doch die darin mitschwingende Besorgnis war unüberhörbar. Er war einer der führenden Anthropologen seiner Zeit und hatte sich während der letzten dreißig Jahre der Erforschung rätselhafter Kulturen verschrieben, die in den höher gelegenen Regionen der Anden entstanden waren und sich bis hinab in die Dschungel des Amazonasbeckens ausgebreitet hatten. »Gehen Sie auf Nummer Sicher, untersuchen Sie die geologische Beschaffenheit der Dolinenwände und tauchen Sie dann wieder auf.«
Shannon nickte, spuckte in ihre Tauchermaske und verrieb den Speiche l auf der Innenseite des Glases, damit es nicht beschlug.
Danach spülte sie die Maske mit Wasser aus einer Feldflasche aus. Nachdem sie ihre Tarierweste festgezurrt und den Bleigurt umgeschnallt hatte, überprüften sie und Rodgers ein letztes Mal gegenseitig ihre Ausrüstung. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß alles in Ordnung und ihr digitaler Tauchcomputer richtig programmiert war, lächelte Shannon Dr. Miller zu. »Bis gleich, Doc. Stellen Sie einen Martini kalt.«
Der Anthropologe schlang einen breiten Riemen unter ihren Armen durch, der an langen Nylonseilen befestigt war, die von zehn peruanischen
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