Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
dieser Straße. Sie ist dort, wo Sie hinwollten, als Sie den Liebesstein zum ersten Mal angefaßt
haben.«
»Da wollte ich nach Hause gehen«, meinte Zane amüsiert.
»Ich bezweifle, daß dort die große Liebe auf mich wartet. Ich lebe nämlich allein in einem
Slum.«
»Dann gehen Sie nach Hause.«
»Mit Ihrem kostbaren Stein in der Hand?«
»Natürlich - leihweise. Ich werde Sie begleiten. Wir werden den Reichtumsstein gegen den
Liebesstein austauschen, sobald der Kontakt hergestellt ist.«
Zane zuckte die Schultern.
»Wie Sie wünschen.«
Inzwischen bezweifelte er, daß aus der Sache noch etwas werden würde, aber seine Neugier blieb
geweckt, und natürlich wollte er ja auch den Reichtumsstein bekommen. Er machte erneut kehrt und
schritt die Straße hinunter zu der Agentur, wo er seinen Mietteppich geparkt hatte, nachdem er zu
dieser Einkaufsstraße emporgeflogen war, die mit Hilfe magischer Mittel hoch über Kilvarough
schwebte.
Der Stein leuchtete. Es stimmte also doch! Er war auf dem Weg zu einer Romanze!
Der Besitzer blieb noch eine Weile vor dem Schaufenster der Buchhandlung stehen und tat so, als
interessiere er sich für die neueste Ausgabe des vierteljährlich erscheinenden satanistischen
Magazins Pech und Schwefel, dann folgte er ihm.
Sie kamen wieder an der Spielhalle vorbei, wo die Kinder inzwischen erotische Science
Fiction-Platten abspielten. Zane hatte einmal ein Angebot bekommen, für das Plattenhüllendesign
Fotografien beizusteuern, doch er hatte es abgelehnt, obwohl er das Geld brauchte.
Er hatte einfach nicht das bißchen echtes Talent, das er besaß, prostituieren wollen.
Nun passierten sie eine süßduftende Bäckerei. Plötzlich packte Zane der Hunger, denn er hatte
schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen. So war das eben, wenn man pleite war.
Er blickte in das Schaufenster des Melonen-Pasteten-Ladens und bemerkte sein Maskottchen,
eine üppige Frau aus Zuckermasse, die an der richtigen Stelle kandierte Melonen trug und mit
dekorativem Pastetengebäck bedeckt war. Im Inneren des Ladens gab es Teigkringel, Kuchen,
Eclairs, Brote, Kekse, Sahnerollen, dänisches Gebäck und Gebäckkunst: Konfektion in Gestalt und
in der Farbe von Blättern, Blumen, menschlichen Figuren, Autos und Schiffen.
Alles sah mehr als gut genug aus, um es zu essen.
»Gehen Sie weiter«, murmelte der Besitzer, der sich von hinten näherte.
Zane riß sich von dem Fenster und seinen magenbetörenden Düften los. Wenn er erst einmal den
Reichtumsstein hatte, würde er hierher zurückkehren, den ganzen Laden leerkaufen und sich
vollstopfen, bis es ihm wieder zu den Ohren heraus kam!
Nun rollte eine Nebelbank auf sie zu. Die Einkaufsstraße war als Kumuluswolke getarnt und hoch
über der Stadt Kilvarough verankert. Die Nebelgeneratoren waren zwar nach außen gerichtet, jedoch
ließen einige verspielte Brisen etwas von dem Nebel nach innen ziehen. Er roch angenehm nach
Blumen.
Sie erreichten die Teppichagentur mit ihrem teppichförmigen Banner, auf dem das Motto JETZT SIND
SIE DA stand. Zane zeigte dem gelangweilten Agenten seine Rückfahrkarte, worauf der Mann seinen
Teppich aus einer Lagerkabine hervorzerrte.
Er war abgenutzt und ausgebleicht, und aus seinen Poren rieselte der Staub, aber mehr konnte er
sich nun mal nicht leisten. Der Besitzer des Steinladens mietete sich einen anderen Teppich, viel
größer, neuer, schöner, mit bequemen, verankerten Kissen. Sie trugen die Teppiche zur
Abflugbucht, entrollten sie, nahmen mit gekreuzten Beinen darauf Platz, schnallten sich an und
gaben das Startsignal.
Die Teppiche stiegen sanft in die Höhe. Der des Besitzers bewegte sich, luftgepuffert,
geschmeidig davon, doch Zanes Teppich ruckte erst ein wenig, bevor der Antriebszauber richtig
griff. Das haßte er. Was, wenn er mitten in der Luft versagen sollte?
Er steuerte den Flug durch geringfügige Gewichtsverlagerungen. Eine Rechts- oder Linksneigung
ließ den Teppich in diese Richtung fliegen, während ein Vor- oder Zurückbeugen ihn tiefer oder
höher gehen ließ. Akustische Befehle veränderten die Geschwindigkeit, doch Zane blieb lieber bei
der normalen Steuerung, weil er fürchtete, daß der Zauber nicht zuverlässig reagieren würde, wenn
er ihn überstrapazierte. Außerdem gab es auch noch andere Verkehrsteilnehmer, und so war es das
Einfachste, das normale Schrittempo beizubehalten.
Zane hatte das Teppichfliegen schon immer gemocht, aber er konnte sich keinen eigenen leisten, ja
er
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