Inkasso Mosel
Vor Degrichs Haus leuchtete der Bewegungsmelder. Ein Mann mit Rucksack ging um den Wagen und schloss die Fahrertür auf. Als er sich in den Golf setzte und die Tür zuschlug, startete Grabbe den Wagen, setzte aus der Lücke, um gleich wieder links in die Einfahrt einzubiegen und hart hinter Degrichs Wagen zu bremsen. Walde blieb gerade soviel Zeit, seine Jacke zu öffnen. Eilig knöpfte er das Futteral seines Pistolenhalters auf, während Grabbe links aus dem Auto sprang. Wo blieb der zweite Wagen? Grabbe riss die Fahrertür des Golfs auf. Er machte dem Aussteigenden mit einem Schritt nach hinten Platz. Walde entsicherte seine Pistole. Jetzt sah er, dass Grabbe rückwärts stolperte und die Arme hoch riss. Aus den Augenwinkeln bemerkte Walde rechts eine Frau mit Kopftuch, die näher kam. Ausgerechnet jetzt! Die Augen auf Grabbe und Degrich gerichtet, sprang er aus dem Wagen. Er gab der Frau durch Handzeichen zu verstehen, zurückzubleiben. Blitzschnell nutzte Degrich die Gelegenheit und rannte quer über den Rasen.
»Halt! Stehenbleiben! Polizei!«, schrie Walde und richtete die Pistole auf den Flüchtenden, der im Nu die Passantin erreichte. Sie versperrte den schmalen Gehweg. Der Mann hob den Arm. Jetzt erkannte Walde das Messer. Er ließ die Pistole sinken. Schießen war zwecklos, wenn er die Frau nicht gefährden wollte.
»Geben Sie auf!«, rief Grabbe, der nun ebenfalls eine Waffe in der Hand hielt.
Der Mann schaute über die Schulter zu ihm zurück, dann richtete er sein Messer erneut auf die Passantin, die wie erstarrt auf dem Bürgersteig stand.
Endlich schoss der zweite Wagen heran. Er bremste quer auf dem Bordstein und blockierte den Fluchtweg. Nur keine Geiselnahme, dachte Walde. Für einen Moment bewegte sich niemand.
Als erstes löste sich die Passantin aus der Erstarrung. Blitzartig schnellte ihr Bein in die Höhe. Ihr Fuß traf die Hand des Mannes. Das Messer flog im hohen Bogen durch die Luft, streifte die Motorhaube des Wagen und schlitterte dann über den Asphalt. Sekundenbruchteile später krachte eine Handtasche an die linke Kopfseite des Mannes. Langsam sackte er zu Boden. Die Frau war sofort über ihm und legte ihm Handschellen an.
Grabbe half Gabi dabei, Degrich ins Auto auf die Rückbank neben Walde zu verfrachten. Während der Fahrt warf Degrich immer wieder einen verstohlenen Blick zu seinem Nebenmann, bis Walde sich vorstellte: »Falls Sie mich immer noch für einen Kneipenwirt halten, muss ich Sie enttäuschen, mein Name ist Bock, Hauptkommissar Bock, Kripo Trier, Dezernat Kapitalverbrechen.« Das ging Walde runter wie Öl. Er klärte den Mann ausführlich über seine Rechte auf.
»Ich sage nichts.« Walde fühlte sich unwohl, als Degrich das sagte. Dann roch er den Pfefferminzatem des Mannes.
*
Als die vier mit Degrich im Polizeipräsidium ankamen, lief die erkennungsdienstliche Maschinerie bereits auf vollen Touren. Degrichs Haus, Auto und Arbeitsplatz wurden durchsucht, seine Telefonanschlüsse überprüft, Familie, Nachbarn und Kollegen befragt. Monika hatte auf dem Besprechungstisch in Waldes Büro ein Frühstück angerichtet mit Kaffee, Orangensaft, Brötchen, Eiern und verschiedenen Brotaufstrichen. In der Mitte des Tisches stand ein Adventskranz, auf dem eine Kerze brannte.
Grabbe, Meier, Gabi und Walde saßen noch immer kauend am Tisch und waren überrascht, Degrich schon wieder zu sehen, der bereits Fingerabdrücke, Speicheltest und Fotos über sich hatte ergehen lassen müssen.
Er wurde in einen Stuhl vor Waldes Schreibtisch gesetzt und starrte nun stur vor sich hin.
»Wir haben Sie gleich nach Ihrer Festnahme über Ihre Rechte aufgeklärt. Sie haben uns bereits mitgeteilt, dass Sie von Ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen wollen.« Meier kaute, während er redete, ungeniert weiter. »Wenn Sie möchten, rufen wir Ihnen einen Anwalt.«
»Ich möchte, dass Rechtsanwalt Hecht gerufen wird.« Keine Spur von Akzent schwang mehr in Degrichs Stimme mit.
»Geht in Ordnung«, sagte Meier. »Möchten Sie sich zu uns setzen?« Er wies auf den freien Stuhl von Monika, die bereits erste Anfragen der Presse beantworten musste.
Degrich stand zögernd von seinem Stuhl auf und kam zum Tisch herüber. Er zuckte zusammen, als Gabi aufstand und seine Handschellen aufschloss.
»Nichts für ungut«, sagte Gabi und ließ die Handschellen in ihrer Tasche verschwinden. »Ich musste Sie etwas grob anfassen, aber Sie ließen uns sonst nur die Wahl, auf Sie zu
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