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Inmitten der Unendlichkeit

Inmitten der Unendlichkeit

Titel: Inmitten der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gerrold
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Gott nicht mehr. Nie wieder. Nicht mehr, seit Gott ihm die Familie genommen hatte.
    Er las die Worte vor und fühlte sich dabei wie ein Scheinheiliger. Was er wirklich sagen wollte war: Gott hält seine Versprechen nicht. Gott gibt mit der einen Hand und nimmt gleichzeitig mit der anderen. Gott verdient unser Vertrauen nicht. Aber er sagte es nicht.
    Er wußte, daß die anderen noch immer an Gott glaubten. Jedenfalls einige von ihnen. Er war nicht derjenige, der ihnen ihren Glauben nehmen würde. Sie würden es schon früh genug selbst herausfinden. Oder niemals. Es war eigentlich völlig egal.
    Sie arbeiteten hart, sie kämpften hart, sie überlebten – das war Lohn genug. Das mußte reichen.
    Anerkennung? Oder gar Belohnung?
    Nicht in diesem Leben. Nicht so, wie die Dinge zu laufen schienen.
    Korie beendete seine Rede. Ihm wurde bewußt, daß sein Vortrag mechanisch gewirkt haben mußte. Es tat ihm leid. Die Mannschaft verdiente das Beste, das er ihr geben konnte. Wenn Gott ihnen schon nicht das Beste gab – er würde es tun. Zur Hölle mit Gott. Er klappte das Buch zu und blickte auf. Ihre Gesichter wirkten entschlossen, versteinert, grimmig. Er hatte keine Vorstellung, was in ihren Köpfen vorgehen mochte. Vielleicht erwarteten sie, daß er mehr sagen würde…?
    Er atmete ein.
    »Wir alle haben zu viele unserer Freunde verloren, seit dieser verdammte Krieg ausgebrochen ist«, begann er. »Und wir werden noch mehr verlieren, bevor er zu Ende ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß… noch manche unter uns hier als Namen auf einer Tafel enden. Ich weiß, daß ich Ihnen lieber Trost anbieten sollte, Hoffnung, Worte des Friedens. Es tut mir leid, ich kann nicht. Nicht heute. Das Beste, was ich Ihnen heute geben kann, ist meine Wut.
    Aber die gute Nachricht lautet, daß unsere Wut uns bis heute am Leben gehalten hat. Wir haben überlebt, und wir werden einen weiteren Tag kämpfen. Also lassen Sie uns sehen, wie weit unsere Wut uns noch bringen wird. Lassen Sie uns herausfinden, wie weh wir ihnen tun können für die vielen Toten, die sie uns hinterlassen haben. Es reicht nicht, um uns über unseren Verlust hinwegzutrösten, aber es ist etwas Sinnvolles, das wir mit dem Schmerz anfangen können, den sie über uns gebracht haben. Wir können es ihnen zurückzahlen.«
    Er nickte dem Leitenden Ingenieur zu.
    Lambdas Leichnam glitt in die Luftschleuse. Dahinter glitt das Schott zu. Einen Augenblick später setzte die Musik ein. Eine Trompete. Leise. Tragend. Hodel hatte das Stück ausgesucht. Korie würde ihn später fragen, wie es hieß.

 
Gute Freunde
     
     
    Brik traf Bach im Fitneßraum, einem Bereich in der Inneren Hülle unmittelbar vor den Obstgärten. Bach rannte auf dem Laufband, als Brik herankam. Sie erblickte ihn und nickte. Brik wartete geduldig. Nach ein paar Minuten verringerte Bach ihre Geschwindigkeit, zuerst zu einem langsamen Trab, dann fiel sie in Schritt. Schließlich hielt das Band an, und sie stieg herunter. Sie ergriff ein Handtuch und wischte den Schweiß von ihrer Stirn. Dann blickte sie zu ihm hoch – und hoch – und hoch. Ihre Augen glänzten, ihr Gesicht war rot, aber Brik konnte nicht sagen, ob es an den Übungen lag oder einen anderen Grund hatte.
    »Wie geht es dir?« fragte er.
    »Besser.«
    Brik überlegte lange, wie er es ihr am besten sagen sollte. »Es tut mir leid, daß ich dich verletzt habe.«
    »Du hast mich nicht verletzt«, erwiderte sie. »Verletzt ist nicht das richtige Wort. Ich war…« Sie zuckte die Schultern und lächelte gleichzeitig ein wehmütiges Lächeln. »Ich war erschöpft.«
    »Ja«, stimmte Brik ihr zu.
    »Sehr angenehm erschöpft«, gestand sie.
    »Doktor Williger hat gesagt, daß dein Herz ziemlich unter Streß gestanden hat.«
    »Sie hat aber auch gesagt, daß es keine bleibenden Schäden gibt. Ich brauchte nur ein paar Tage Ruhe und ein wenig Training, um die Steifheit aus den Gliedern zu vertreiben, das ist alles.« Sie rubbelte mit dem Handtuch über das Haar. Dann sagte sie: »Ich bereue nicht, daß wir es getan haben.«
    »Ich auch nicht«, erwiderte Brik.
    »Hast du… äh, herausgefunden, was du herausfinden wolltest?«
    »Ich glaube schon«, gestand der Morthaner.
    »Und?«
    »Ich… ich glaube jetzt, daß ich verstehe, warum es für Menschen so ein schwieriges Thema ist. Es fällt sogar mir schwer, darüber zu reden.«
    »Mir auch.«
    »Ja, aber du bist ein Mensch.«
    »Ja. Ich bin ein Mensch.«
    Brik holte tief Luft. »Ich glaube nicht, daß

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